Lieber Herr Wilbertz,
Was immer in diesem Falle ein Punktwert in der Demenzdiagnostik bedeuten soll,
ich habe in der Tat kein Vertrauen darin.
Die angemahnten sachlichen Argumente dürften eigentlich in der Neuropsychologie
bekann sein:
1. Der Uhren-"Test" ist nicht hinreichend valide, er ist unspezifisch und
erfasst räumlich-konstruktive Störungen, kein typisches Erstsymptom von Demenz
2. Er ist nicht hinreichend sensitiv, da die genannten räumlich-konstruktiven
Störungen nicht zu den Kernsymptomen der Demenz im Sinne der NINCDS-ADRD
gehören, wohingegen diese gar nicht erfasst werrden
3. Er ist nicht hinreichend trennscharf im Sinne des
Bandbreiten-Fidelitäts-Dilemmas, da er einen starken Ceiling Effect hat.
Das Problem wird sichtbar im CERAD, der gesamthaft Normalverteilungs-basiert
normiert ist, da kriegt man schon bei 27 von 30 Punkten im MMSE einen deutlich
unterdurchschnittlichen Wert.
4. Selbst für ein Screening ist er zu schmal und zu kurz (Ausspruch von Gustav
Lienert: der ideale Test ist unendlich lang).
Trotz alledem wird er so gehandelt wie ein richtiger psychologischer Test.
Das ist in der Tat der Alltag, den ich in der ärztlichen Praxis bei den
Arztkollegen unserer Region dauernd erlebe.
Mit aller Computer-Optimierung wird das nicht besser, und wenn das so der
PC-basierte Arbeitsalltag junger Kolleg:innen werden soll, wäre das nicht gut,
wofern es den Mythos dieses unzureichenden Tests vermehren würde.
Gegen computerbasierte Testung ist im übrigen nichts einzuwenden. Im Gegensatz
zu Herrn Parra finde ich die Verhaltensbeobachtung beim Testen nicht nötig,
kann im Extremfall sogar Störvariable sein, ich finde eine "neutrale" Person
bei der Testapplikation besser. Richtig ist, dass man die Bewertung nicht
anderen Instanzen überlassen darf, das gilt nicht nur, aber natürlich besonders
in der Neuropsychologie. -
Dass wir mit Paper-Pencil-Tests nur eine bestimmte Arbeitsweise abtesten, wird
bei Malen am Bildschirm etwas anders, aber für manche andere praktische
Tätigkeit vermutlich auch nicht viel repräsentativer, obwohl ich das nicht
wirklich beurteilen kann. Jedenfalls habe ich immer Vorbehalte, wenn ich alte
Landwirte nach Paper-Pencil-Tests beurteilen soll, das entspricht nicht ihren
Arbeitsgewohnheiten, und vielleicht wird das für sie mit Tablets irgendwann
sogar vertrauter werden.
Natürlich hat computerbasiertes Testen seine erheblichen Vorteile, aber die
müssen in richtiger Weise realisiert werden. Ideal sind vor allem
selbstadaptierende Verfahren, die nach den ersten Items gezielt in den
Leistungsbereich der untersuchten Person wechseln und damit viel unnötiges
Testen verkürzen - bei längeren Batterien ist ja immer abzuschätzen, was
Leisrung und was Daueraufmerksamkeit ausmacht, das ist auch nicht immer mit
Verhaltensbeobachtung auseinanderzuhalten. Mit den heutigen IT-.Möglichkeiten
wäre das realisierbar, ist aber immer noch noch breit durchgesetzt. Wenn wir
den Jüngeren in solchen Dingen weiterhelfen könnten, wäre das unbedingt ein
Fortschritt.
Gruss,
F.v.Wedel
-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: alfred.wilbertz@xxxxxxxxxxx <Alfred.Wilbertz@xxxxxxxxxxx>
An: neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx <neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx>
Verschickt: Di, 9. Feb. 2021 13:16
Betreff: [neuropsychologie] AW: Demenzscreening / Uhrentest per App
Hallo Herr Parra und Herr von Wedel,
ich finde es etwas befremdlich, mit welcher Pauschalität sie hier von
Königsdisziplin (gemeint ist wohl die Neuropsychologie), Problemen der
Berufspolitik, Delegation neuropsychologischer Diagnostik an die Ergotherapie,
vom "ärztlichen Alltag" und dem Vertrauen in einen Punktwert der
Demenzdiagnostik schreiben. Und dann schreiben Sie ".....tolle Algorithmen mit
Einsatz von Künstlicher Intelligenz, daran kann man sich ergötzen, abere das
sagt mehr über das Hirn des Untersuchers als des Untersuchten aus...".
Wenn Ihnen die o.g. Sachhalte so wichtig sind, warum versuchen sie es nicht mal
mit einer fachlichen Argumentation?
Allerdings scheint mir das allgemein was aus der Mode gekommen zu sein.
Ich selbst hatte mich da letzte Tage mal eine freie halbe Stunde dran versucht
(anlässlich der Einschätzung des Kollegen Witt-Brummermann), und ein paar
Sachverhalte in den Kreis zurückgeschrieben, die eine Rechner-gestützte
Durchführung und Interpretation eines Uhrentests m.E. zumindest fragwürdig
erscheinen lassen (das Problem fehlender Spezifität hatten ja auch Sie
angesprochen).
In der Hoffnung auf mehr Hinschauen und sachliche Argumentation in der
verehrten Kollegenschaft - gerade der Jüngeren, auf die PC-gestützte
Diagnostik so sicher zukommt wie das berühmte Amen der Kirche,,,
Wäre das nicht auch berufspolitisch relevant?
A. Wilbertz
-----Original-Nachricht-----
Betreff: [neuropsychologie] Demenzscreening / Uhrentest per App
Datum: 2021-02-08T21:38:35+0100
Von: "Dr.F.K.v.Wedel" <dmarc-noreply@xxxxxxxxxxxxx>
An: "neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx" <neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx>
Da muss ich Herrn Parra beipflichten.
Wenn ich Patient:innen gut kenne, brauche ich in der Regel keinen Uhren-"Test",
um ihre kognitive Entwicklung abzuschätzen.
Umgekehrt hat der Uhrentest sicher eine gewisse Sensitivität, aber im
Einzelfall fragliche Spezifität. Was für ihn zu sprecxhen scheint, ist die
grundsätzlich positive Gewohnheit dser Ärzte, im Zweifel objektive und in der
Regel quantifizierbare Zusatzuntersuchungen zu vernlassen, die dann von anderen
Instanzen durchgeführt werden. Da muss man sich dann auf die Fachleute
verlassen: Mit welchen Messmethoden die Leberwerte im Blut wirklich genau
gemessen werden, weiss ich nicht, das verlangt auch keiner von mir, und jeder
wird sagen, das ist so kompliziert, das kann keiner alles wissen. Aber wird man
der Komplexität mentaler Dispositionen gerecht, wenn man das Zeichnen einer Uhr
vom Computer beurteilen lässt? Sicher gibt es da tolle Algorithmen mit Einsatz
von Künstlicher Intelligenz, daran kann man sich ergötzen, abere das sagt mehr
über das Hirn des Untersuchers als des Untersuchten aus. Wobei: Als
Scrteening-Instrument durchaus diskutabel, aber zumindest in einen Kurztest wie
in den MoCA integriert - damit kann man ja sogar amerikanische Politiker
testen. Aber im ärztlichen Alltag sieht es in der Tat so aus: Einmal eine Uhr
gezeichnet, und die Diagnose steht.
Gruss,
F. K. von Wedel
-----Ursprüngliche Mitteilung-----
Von: mauparra@xxxxxx
An: neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx
Verschickt: So, 7. Feb. 2021 18:29
Betreff: [neuropsychologie] Re: AW: Re: Demenzscreening / Uhrentest per App
*** neuropsychologie.freelists.org *** Hallo!das ist was die Mediziner im
Allgemein wollen und tun: einen Punktwert mitklassifikatorischer Interpretation
zu bekommen, auch so schnell wie möglichführend zu einer dichotomischen
Diagnostik: Demenz oder keine Demenz.Verhaltensbeobachtung? Anscheinen keinen
Wert. Und wenn dieseTestung ausschliesslich den Ergotherapeuten weiterhin
delegiert wird, dannwird in der Zukunft unsere Königsdisziplin auf der Strecke
bleiben.Hoffentlich bleiben wir in einer fernen Zukunft nicht arbeitslos...dann
indieser Hinsicht würden die Probleme unserer Berufpolitik wiederauftauchen.Wie
gesagt, ich werde nur als Neuro-Psy gefragt, wenn der Ergo und derMediziner
Interpretationsprobleme haben....sonst ist der Punktwert, die aucheine App
liefern könnte, der einfacher Weg! Mit Sonntagsgrüßen,Mauricio Parra On 4 Feb
2021 at 11:50, Dr. Witt-Brummermann Matthias wrote: > ***
neuropsychologie.freelists.org ***>>> Hallo,>> "Machine-Learning" mag in
Zukunft vielleicht stärker sein. Bei der vorgeschlagenen Variante des
"Uhren-Test" (Abfotografieren und automatisierte Auswertung über eine App)
bleibt allerdings eine "Königsdisziplin" der Neuropsychologie auf der Strecke:
die Verhaltensbeobachtung. In diesem Fall sehe ich am Ende nur das Produkt und
versehe es mit einem Punktwert, habe aber keinerlei Information über dessen
"Entstehungsgeschichte". Da gehen mir als Diagnostiker mit Sicherheit in vielen
Fällen wichtige Hinweise zu räumlichen-visuellen Störungen oder Problemen in
der Handlungsplanung verloren. Da ist der Nutzen der App geringer als der
Preis, den ich dann in der Diagnostik dafür zahle.>> Es grüßt>> Dr. Matthias
Witt-Brummermann> Aatalklinik Wünnenberg>> -----Ursprüngliche Nachricht----->
Von: neuropsychologie-bounce@xxxxxxxxxxxxx
[mailto:neuropsychologie-bounce@xxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von mauparra@xxxxxx
Gesendet: Mittwoch, 3. Februar 2021 19:03> An: neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxxAbmelden auf der Webseite: //www.freelists.org/list/neuropsychologieAdmins: M.
Betreff: [neuropsychologie] Re: Demenzscreening / Uhrentest per App>> ***
neuropsychologie.freelists.org ***>>> Hallo,>> wir sollten diese Techniken
(ML) nutzen (die klinische Zukunft wird mit mehr Machine-Learning kommen) und
dass die Interpretation in unseren Händen bleibt. Bislang in der Geriatrie
wird der Uhren-Test von den Ergos gemacht und automatiziert, und von den
Ärzten nach festen Schemata interpretiert.> Manchmal werde ich als
Neuropsycho gefragt, nicht immer, wenn die Ergos unsicher sind.....>> Frau
Kühne, vielen Dank für den Nature-Link!>> Mit freundlichen Grüßen,> Mauricio
Parra>> On 3 Feb 2021 at 12:24, ekaterina.kuehne wrote:>> >> > Hallo!> >> >
https://www.nature.com/articles/s41598-020-74710-9
Abmelden auf der Webseite: //www.freelists.org/list/neuropsychologie> Admins:Mit freundlichen Grüßen> >> > Katharina Kühne> >> > Am Mi., 3. Feb. 2021
um 12:13 Uhr schrieb Praxis Seuling <mail@xxxxxxxxxxxxxxxxx>:> >
Liebe KollegInnen, liebe Kollegen,> >> > ist mir über den Weg
gestolpert, meine Frage in die geschätzte Runde:> >> > Kennt jemand
den Autor/die Veröffentlichung? Hat jemand Erfahrungen?> >> >
https://www.gelbe-liste.de/neurologie/app-demenz-diagnose
https://www.fau.de/2020/12/news/wissenschaft/eine-app-soll-den-uhrentest-durchfuehren-u
nd-kuenftig-demenzen-erkennen/> >> > Fröhlich aus dem etwas trüben
Oberfranken> >> > Matthias Seuling> > DP/NP/PP in Bamberg> >> > --> >
Mit freundlichen Grüßen> >> > Katharina Kühne>>>>
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