[sge-liste] PRESSE:FR:Eintracht rutscht weiter bergab

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  • Date: Sun, 24 May 2020 18:13:02 +0200

Eintracht rutscht weiter bergab
Ingo DurstewitzvonIngo Durstewitz
Eintracht Frankfurt verliert erwartungsgemäß auch bei den Bayern und hofft
am Dienstag gegen den SC Freiburg auf die Trendwende – doch warum sollte auf
Knopfdruck alles besser werden, was vorher falsch lief?

Zumindest die Lacher hatte die Eintracht zum schlechten Schluss auf ihrer
Seite. „Das sah sicherlich lustig aus“, bedeutete Verteidiger Martin
Hinteregger und gestand, insgeheim selbst geschmunzelt zu haben, aber nur
ein kleines bisschen. Es ging um dieses Eigentor des Österreichers, jenes
zum 2:5-Endstand beim Auswärtsspiel in München, das zweifelsfrei in die
Kategorie Slapstick gehört. Irgendwie versuchte der Mann, den sie Hinti
nennen, kurz vor der Torlinie in höchster Not zu retten, was zu retten
gewesen wäre, aber halt nicht so: Hinti schoss sich mit dem einen Fuß an die
andere Hacke und wieder zurück, und schließlich landete der Ball im Kasten.
„Passiert, was soll man machen?“, befand er, „es war eines meiner schönsten
Eigentore.“ Schön nicht, aber kurios.

Auf das Endergebnis hatte das Missgeschick nur numerische Auswirkungen,
diese Partie in Fröttmaning hätten die Frankfurter auch so verloren, selbst
wenn Trainer Adi Hütter seiner Mannschaft ein Kompliment aussprechen wollte
und fand, dass „wir eine sehr ordentliche Leistung gezeigt haben“. Nach
einem sauberen 2:5, wohlgemerkt.

Hinteregger hat die Begegnung dennoch geprägt, er hat nämlich per
Doppelschlag zwei eigene Tore erzielt (52.,55.), zum zwischenzeitlichen 2:3,
und damit kurzzeitig ein wenig Hoffnung aufflackern lassen. Wobei die
Betonung klar auf „kurzzeitig“ und „ein wenig“ liegen sollte. Der 27-Jährige
hat mit seiner persönlichen Darbietung an der erwarteten Niederlage, für die
neben Hinteregger auch die Bayern Spieler Leon Goretzka (17.), Thomas Müller
(41.), Robert Lewandowski (46.) und Alphonso Davies (61.) sorgten, nichts
ändern, aber zumindest ein paar kleine Rekorde knacken können. Derzeit ist
er der torgefährlichste Abwehrspieler der Eliteklasse, achtmal netzte er
schon ein, siebenmal davon nach einer Ecke – das hat bisher kein anderer
Verteidiger in der Bundesliga geschafft. Der Kärtner hat sich mit seinen
acht Treffern auch an die Spitze der internen Torschützenliste gesetzt,
erzielte mehr Treffer als Goncalo Paciencia (7), André Silva (5) oder Bas
Dost (5). Das lässt tief blicken und ist verstörend bei einem Verein, der
vor einem Jahr europaweit noch für seine drei Angreifer bewundert und
gefürchtet wurde. Doch die Probleme der Eintracht liegen sehr viel tiefer,
fehlende Stürmertore sind nur ein kleines Puzzleteil.

Die nackten Zahlen sollten den Frankfurtern die Sorgenfalten tief ins
Gesicht ziehen. Die letzten fünf Bundesligapartien haben sie verloren, 0:4
in Dortmund, 1:2 gegen Union Berlin, 0:4 in Leverkusen, 1:3 gegen
Mönchengladbach, 2:5 in München. Hinzu kommt ein 0:3 unmittelbar vor der
Corona-Zwangspause gegen den FC Basel in der Europa League. Das sind ganz
klar die Zahlen eines heißen Abstiegsanwärters, und da greift auch das
Argument ins Leere, dass sich die Eintracht nun in München nicht ganz so arg
vermöbeln ließ, wie es vorher vielleicht erwartet worden war und sich besser
präsentierte als zum Neustart gegen Mönchengladbach. Es ist bezeichnend,
wenn die Protagonisten mit einem 2:5 halbwegs zufrieden sind.
Schadensbegrenzung steht über allem, in der momentanen Situation wird selbst
eine deftige Pleite in München als (kleiner) Erfolg verkauft. Da wird schon
eifrig Sand in die Augen gestreut. Aber was bleibt ihnen andererseits
anderes übrig, als das wenig Positive hervorzuheben? Torschütze Hinteregger
wählte mahnende Worte: „Wir müssen schleunigst sehen, dass wir in die Spur
kommen und Punkte holen. Der Blick ging schon vor der Corona-Krise nach
unten.“

Die Eintracht-Entourage lenkt den Blick auf die kommenden Aufgaben, in denen
Spiele gegen Gegner anstehen, „mit denen wir uns auf Augenhöhe sehen“, wie
Coach Hütter anmerkt. Am Dienstag (20.30 Uhr) geht es zu Hause gegen den SC
Freiburg, anschließend zum VfL Wolfsburg, ehe das Nachholspiel in Bremen und
das Nachbarschaftsduell gegen den FSV Mainz 05 anstehen. „Jetzt kommen harte
Wochen auf uns zu. Ab Dienstag gilt’s“, gibt Sebastian Rode die Parole aus.

Die Frage ist nur, weshalb auf Knopfdruck alles besser werden soll, was
zuletzt nicht lief. Garantien, gegen Opponenten zu punkten, die nicht das
Potenzial der absoluten Spitzenklubs haben, gibt es nicht. Dazu genügt ein
kurzer Blick zurück: In den nun noch ausstehenden acht Partien holte die
Eintracht in der Vorrunde gegen dieselben Kontrahenten ganze zwei Punkte,
jeweils ein 2:2 gegen Werder Bremen und Hertha BSC. Selbstläufer werden das
also nicht. Im Gegenteil. Mit jedem erfolglosem Spiel wächst der Druck.

Fakt ist, dass die Eintracht schon das zweite Mal in dieser Saison in eine
veritable Krise gestürzt ist, im alten Jahr holte sie aus den letzten sieben
Partien vor der Winterpause nur einen Zähler. Jetzt hat sie fünfmal am Stück
verloren, das hat kein anderes Team in dieser Phase geschafft. Der Trend ist
und bleibt besorgniserregend: Aus den letzten 16 Partien hat die Eintracht
nur drei Siege und elf (von 48) Punkte geholt – das ist höchst alarmierend.

Genauso wie das Defensivverhalten, das jeder Beschreibung spottet, die
Abwehr ist ein Torso – und zwar nun schon über viele Spiele hinweg. In den
zurückliegenden fünf Partien hat die Eintracht sage und schreibe 18
Gegentore geschluckt. Das ist, überspitzt formuliert, der blanke Wahnsinn.
In der Summe haben die Hessen nach 26 Begegnungen bereits 49 Treffer
kassiert, mehr als in der gesamten vorherigen Saison (48).

Es ist an der Zeit, dass Trainer Hütter umstellt. Es ist zwingend notwendig,
den klügsten Fußballer, Makoto Hasebe, wieder einzubauen, am besten als Kopf
einer Dreierabwehrkette. Filip Kostic könnte dann auf links wieder mehr mit
Anlauf kommen, was ihm zugute kommt. Im Mittelfeld sollte der Coach mehr
Fußballer einbauen und vorne unbedingt auf zwei Spitzen umstellen. Das
garantiert zwar keinen Sieg gegen Freiburg, ist aber allemal besser als das
Prinzip Hoffnung.


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