[sge-liste] FR: Glasner "nicht wirklich happy" - Umbruch größer als gedacht

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  • Date: Sun, 22 Aug 2021 21:11:30 +0000

SGE

Eintracht: Glasner „nicht wirklich happy“ – Umbruch größer als gedacht
Ingo DurstewitzVonIngo Durstewitz
Daniel SchmittDaniel Schmitt
Eintracht Frankfurt kommt trotz Dominanz nicht über eine Nullnummer gegen
Augsburg hinaus und steht wieder vor einer Saison der Erneuerung.

Frankfurt – In der Nachbetrachtung des torlosen Auftakts im heimischen
Stadion gegen den FC Augsburg hat der Frankfurter Trainer Oliver Glasner
vielleicht ein kleines bisschen überdreht. Der 46-Jährige malte die
Eintracht-Welt beinahe schon rosarot, was bestimmt ein Stück weit
Überzeugung und zu gleichen Teilen Kalkül war. „Wir sind nicht wirklich
happy mit dem Punkt“, setzte der Österreicher an, ein Sieg wäre gewiss
verdient gewesen. Der Augsburger Torhüter Rafal Gikiewicz habe aber einen
Sahnetag erwischt, „Kompliment“, die ganze Palette an Möglichkeiten habe der
Keeper zunichte gemacht, „drei, vier, fünf richtig tolle Chancen“, wie
Glasner behauptete.

Er sei daher ob der Nullnummer „absolut gar nicht enttäuscht“, der Auftritt
sei „absolut ein Schritt in die richtige Richtung“ gewesen, es gehe ja nicht
nur um das blanke Resultat, sondern auch um das „Wie, und mit dem Wie bin
ich sehr zufrieden“. Ergo: „Ich fahre mit einem sehr positiven, guten Gefühl
nach Hause.“ Es soll Menschen geben, die sich der Lobeshymne in diesem
Ausmaß nicht so ganz anschließen wollten.

Eintracht Frankfurt: Sieg gegen Augsburg wäre verdient gewesen

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Fakt ist: Wenn dieses Spiel vor immerhin 22.000 durchaus lautstarken und
emotionalisierten Fans einen Sieger verdient gehabt hätte, dann wäre das
Eintracht Frankfurt gewesen. 21:4 Torschüsse holten die Hessen heraus, der
Ballbesitz lag gefühlt bei 90 Prozent, in der Realität aber nur bei 68, was
aber auch reicht, um die Kräfteverhältnisse ins rechte Licht zu rücken.

Und natürlich ist es richtig, dass die Eintracht gerade im zweiten Abschnitt
eine Art Powerplay aufzog und den FCA in dessen Hälfte einkerkerte, dass sie
auch redlich ackerte und rannte und bis zum Schluss alles versuchte, um doch
noch den erlösenden Treffer zu erzielen. Vergeblich.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die „richtig tollen Chancen“ jetzt
gar nicht so dicke Dinger waren, also eher zur Kategorie „kann man machen,
muss man aber nicht“ zählen. Der FC Augsburg ist zudem kein Widersacher, der
auf dem Zenit seiner Schaffenskraft ist, personell sind die bayerischen
Schwaben arg gebeutelt und nach der 0:4-Klatsche zum Start gegen Hoffenheim
auch nicht mit Selbstvertrauen im Übermaß gesegnet. Überdies: Der Eintracht
war gerade im ersten Abschnitt wenig eingefallen, um die Gäste wirklich in
Verlegenheit zu bringen, da wirkte alles zu gestückelt, unrund und unfertig.
Trainer Glasner schiebt das auf eine gewisse Nervosität nach den beiden
Schlappen im Pokal in Mannheim und in der Liga in Dortmund: „Da hat man
gesehen, was zwei Auftaktniederlagen mit der Psyche machen können.“

Eintracht Frankfurt: Mannschaft brauch Zeit, um sich zu finden
Klar ist schon jetzt, dass diese Frankfurter Mannschaft Zeit brauchen wird,
um sich zu finden, um miteinander zu wachsen und das zu verinnerlichen, was
von ihr erwartet wird. Erst dann wird sich ermessen und abschätzen lassen,
wie stark und konkurrenzfähig sie ist und auf welchem Level sie sich
einpendeln wird. Vorschnelle Schlüsse verbieten sich zum jetzigen Zeitpunkt,
obwohl der Start in die Saison mit zwei Pleiten und einem Remis alles andere
als geglückt ist und obwohl man Zweifel, ob dieses Team die doppelte
Belastung wirklich schultern kann, ohne in der Liga abzusacken, ernstnehmen
sollte. In dieser Verfassung wartet eine schwierige bis sehr schwierige
Saison auf die Hessen.

Für Djibril Sow hat der derzeitige Staus quo aber nichts Alarmierendes. „Als
Adi Hütter neu hier war, ist die Eintracht auch nicht gleich in Fahrt
gekommen.“ Die Frankfurter fremdelten damals mit den Vorstellungen des
Coaches, und die neuformierte Mannschaft musste sich erst zusammenraufen.
Dann legte sie los. So sei es auch jetzt wieder, hofft der nach mehr
Verantwortung strebende Abfangjäger Sow. „Man muss auch erst wieder ein
Gefühl für das Spiel bekommen“, sagt er. Zumal die Mannschaft jünger und die
Offensive noch „etwas zu verspielt“ sei, und klar „stimme vorne noch nicht
alles – aber wenn wir die letzte Konsequenz reinbekommen, werden wir dem
Gegner wieder wehtun.“

Die Umstellung ist freilich enorm, „wir hatten mit André Silva einen
Torjäger, der fast in jedem Spiel getroffen hat“, findet Sow, gerade das
Zusammenspiel mit Filip Kostic habe prächtig funktioniert. „Sie haben sehr
gut harmoniert und die Tore fast im Schlaf gemacht.“ Nun sei der Spielstil
verändert worden, „wir haben vorne mehr Bewegung“, aber eben auch weniger
Torgefahr.

Die Neuen, findet auch Trainer Glasner, brauchen Zeit. Gegen Augsburg
beorderte er vier Zugänge in die Startelf, „für drei von ihnen war die
Bundesliga neu“, führt Glasner aus, „Es ist ganz normal, dass es ein
bisschen dauert“, bis sich eins zum anderen fügt.

Eintracht Frankfurt: Glasner schiebt Prozess der Erneuerung konsequent an
Überraschend ist gleichwohl, dass der Umbruch doch größer ist als gedacht,
obwohl es stets hieß, man wolle so wenig wie möglich verändern und keinen
große Umwälzungen herbeiführen. Nach wenigen Wochen ist es anders gekommen.
Ganz bewusst. Obwohl nur zwei Leistungsträger weg sind (André Silva, Amin
Younes), schiebt Glasner den Prozess der Erneuerung konsequent an und nimmt
etwaige Abstimmungsprobleme ohne Zähneknirschen hin. Er fördern die Neuen
und scheut sich nicht, einen Kreativen wie Daichi Kamada auf die Bank zu
setzen, obwohl der Japaner seine Befähigung, auf diesem Niveau prägend zu
sein, schon nachgewiesen hat. Auch das jahrelang erfolgreich praktizierte
System der Dreierkette hat Glasner nach eineinhalb Spielen kassiert. „Es ist
ein Umbruch, der stattgefunden hat“, sagt der Erneuerer offen. Und zwar auf
fast allen Ebenen. Wichtig ist ihm, den Saisonendspurt aus den Köpfen zu
verbannen. „Es gerät ein bisschen in Vergessenheit, dass die letzte Phase
der letzten Saison nicht die positivste war. Da nimmt man ein bisschen was
mit rein. Wir sind gerade dabei, das final aufzuarbeiten.“

Glasner will diesen Weg weiter beschreiten, diesen Mut und den Willen hat er
– Rückschlägen zum Trotz. Er erinnert an die Abgänge der Büffel Luka Jovic,
Ante Rebic und Sebastien Haller, und auch an die Startschwierigkeiten eines
André Silva. „Jetzt wird immer gesagt, er hat 28 Tore gemacht, aber ich
glaube, in seiner ersten Saison hat er die nicht erzielt. Da waren es
zwölf.“ Glasners Resumee: „Eintracht Frankfurt hat es immer ausgezeichnet,
sich immer wieder mal neu zu finden.“ Oder: neu zu erfinden. Von heute auf
morgen geht das nicht, der rumpelige Saisonstart hat das gezeigt.


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