[sge-liste] SPORT1: Der unerwartete Hoffnungsträger

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  • Date: Mon, 26 Jul 2021 21:26:33 +0000

Der unerwartete Hoffnungsträger
Ragnar Ache schwingt sich bei den Olympischen Spielen zum deutschen
Hoffnungsträger auf. Dabei ist der Frankfurter mit dem ungewöhnlichen
Karriere-Weg den meisten Fußball-Fans noch kein Begriff.

Es war eine blitzsaubere Direktabnahme von Ragnar Ache - und doch brauchte
er noch den Nachschuss.

Den Volley-Abschluss nach einer punktgenauen Flanke von Amos Pieper hatte
der Keeper von Saudi-Arabien noch entschärfen können. Doch Ache blieb dran
und schob die Kugel im zweiten Anlauf zum zwischenzeitlichen 2:1 ins Netz.
Nach dem mühevollen 3:2-Zittersieg in Yokohama ist der 22-Jährige ein
Lichtblick für das Olympia-Turnier aus deutscher Sicht.

Schon bei der 2:4-Auftaktpleite gegen Brasilien hatte der Stürmer einen
Treffer erzielt, obwohl er nur 22 Minuten auf dem Rasen gestanden hatte. Es
war eine gute Entscheidung von Auswahl-Trainer Stefan Kuntz, Ache
nachzunominieren. Das ist schon jetzt klar.

„Es ist vor allem seine Physis. Gegen Brasilien stand ich mal hinterm Tor
und da habe ich ihn drei Meter in die Höhe springen sehen. Da habe ich mich
nur gefragt: ‚Wo will denn der hinspringen?‘“, sagte Keven Schlotterbeck auf
SPORT1-Nachfrage beim Pressetalk am Montag über seinen Teamkollegen im
Olympia-Team.

„Er macht gut Bälle fest und ist zielstrebig vor dem Tor. Er opfert sich
auch für die Mannschaft auf. Das hat man gestern gesehen, er war stehend
K.o., nachdem er rausgegangen ist.“

Erwartet hatte einen solch großen Beitrag wohl kaum ein Fußball-Fan von
Ache, was aber auch kein Wunder ist. Immerhin kennen seinen Namen nur
eingefleischte Fans von Eintracht Frankfurt. Aber selbst Letztere haben den
jungen Torjäger noch nicht oft spielen sehen.

Ache verpasst fast die komplette Saison in Frankfurt
Ragnar Prince Friedel Ache wurde in Frankfurt am Main geboren, doch erst
seit dem Sommer 2020 trägt er das Trikot mit dem Adler auf der Brust. „Ich
komme heim“, sagte der Sohn eines deutschen Vaters und einer ghanaischen
Mutter bei seiner Vorstellungs-PK.

Doch seine erste Saison in der Heimat lief nicht so, wie sie sich Ache
vorgestellt hat. Er feierte zwar gleich am zweiten Spieltag sein Debüt, doch
dann setzte eine Oberschenkelverletzung den aufstrebenden Kicker fast die
komplette restliche Saison außer Gefecht. Erst am 34. und letzten Spieltag,
bei seinem siebten Saisoneinsatz, erzielte Ache sein Debüt-Tor für die
Eintracht. In der zweiten Minute der Nachspielzeit - das nennt man dann wohl
Last Minute.

Ein Tor, das ihn vielleicht auch erst zurück in den Fokus von Stefan Kuntz
und nach Tokio geschossen hat. Der Coach dürfte auch im letzten Gruppenspiel
auf Ache bauen, wenn gegen die Elfenbeinküste ein Sieg eingefahren werden
muss, um die K.o.-Phase zu erreichen.

In Frankfurt dürfte Aches Olympia-Auftritt große Vorfreude auf die nächste
Saison auslösen. Es dürfte sich fast so anfühlen, als wäre er ein Neuzugang.
Einer, der kurz vor dem großen Durchbruch stehen könnte. Und zwar nach einem
ungewöhnlichen Weg.

Ache wird im Kindergarten entdeckt
Ache ist nicht in den Jugendteams von Eintracht Frankfurt zu einem technisch
versierten Offensivspieler ausgebildet worden. Die Geschichte seiner
Karriere beginnt in Neu-Isenburg. Mit vier Jahren waren seine Eltern mit ihm
in die kleine Stadt vor den Toren der Finanz-Metropole Frankfurt gezogen.

Auch der Scout, der Ache entdeckte, ist alles andere als gewöhnlich: Es
handelte sich um eine Erzieherin, deren Ehemann Jugendtrainer bei der
Spielvereinigung 03 Neu-Isenburg war. Der kleine Junge wollte im
Kindergarten immer Fußball spielen und konnte das auch deutlich besser als
alle anderen.

Ihr Ehemann Milan Gulin nahm Ache in sein Team auf und war schnell
begeistert. „Ein Riesenfußballer“, sagte er jüngst rückblickend in der
Frankfurter Rundschau. Das junge Talent zeigte sich „drahtig und schnell“
und war vor allem für spektakuläre Momente zu haben: „Da hat er aus 17, 18
Metern einen halbhohen Ball volley genommen und mit einem Scherensprung
direkt in den Winkel gehauen.“

Dieser Eindruck ist auch derzeit bei den Olympischen Spielen zu sehen.
Teilweise wirkt Ache ein wenig wie ein Straßenfußballer. Das passt nach
Frankfurt - und zu seinem Werdegang, der so manchen Umweg beinhaltet.
Die zweite Heimat bei Sparta Rotterdam
Wenn man heute in Neu-Isenburg nachfragt, dann ist der Name Ache alles
andere als präsent. „Keine Ahnung“, sagte sogar der Vereinsvorsitzende von
Aches früherem Klub, als er von der Frankfurter Rundschau nach dem jungen
Ache gefragt wurde.

Das liegt auch daran, dass Ache auch in Neu-Isenburg nicht lange blieb.
Seine Mutter zog mit ihm und seiner Schwester ins niederländische Rotterdam,
als er zehn Jahre alt war. Der neue Lebensgefährte der Mutter war im
Nachwuchs von Sparta Rotterdam tätig. Wie sieben Jahre zuvor die Erzieherin
nahm er Ache mit zum Training.

Bei Sparta Rotterdam fand der talentierte Stürmer seine zweite Heimat. Er
durchlief alle Jugendteams, blieb insgesamt zehn Jahre lang beim Klub. 2016
unterzeichnete er seinen ersten Profivertrag, mit 18 Jahren debütierte er in
der Eredivisie.

Mit Sparta erlebte er in der Folge den Abstieg, aber auch wieder den
Aufstieg in die höchste Liga der Niederlande. Aus der Ferne erspielte er
sich sogar Nominierungen von Kuntz für die U21, für die er 2019 und 2020
drei Partien absolvierte - und einen Treffer erzielte.

Im Sommer 2020 ging es dann nach Hause. Die Eintracht überwies zwei
Millionen Euro nach Rotterdam. „Fußballerisch hat mich die niederländische
Schule geprägt. Aus Deutschland habe ich die Disziplin und die Pünktlichkeit
mitgenommen“, verriet Ache in Frankfurt angekommen. Es scheint eine
vielversprechende Kombination zu sein.



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