[neuropsychologie] Re: Bitte, bitte Literaturhinweise Fall_Frage_Demenz

  • From: "Irene W." <sirenewinkler@xxxxxxxxx>
  • To: neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx
  • Date: Mon, 18 Sep 2023 22:52:21 +0200

Liebe Frau Arp,
sehr gerne
-the haunted self/das verfolgte Selbst von Nijenhuis, Stelle, Van der Hart
-Traumatrinität/enaktive Traumatherapie -ein hochphilosophischer Wälzer von
Ellert Nijenhuis
-oder erstmal ein Artikel zum Anlesen: TRAUMA-RELATED STRUCTURAL
DISSOCIATION OF THEPERSONALITY
Ellert Nijenhuis*1, Onno van der Hart & Kathy Steele3
sehr empfehlenswert auch die NP-Dissertation von Sascha Wentzlaff
Entwicklungsmöglichkeiten nach schweren Hirnverletzungen mit frontalen
Läsionen – in der er dieselben philosophischen Theorien anführt wie Herr
Nijenhuis (z.B. Spinoza), hier geht es aber nicht um strukturelle
Dissoziation...
mit lieben Grüssen nach Hamburg
Irene Winkler



Am Mo., 18. Sept. 2023 um 21:54 Uhr schrieb Susanne Arp <arpneuro@xxxxxx>:

*** neuropsychologie.freelists.org ***
Liebe Frau Winkler,

sollte nicht nur, sondern tut es auch:
hätten Sie ein - zwei Literaturtipps zum Thema für uns?
Das wäre großartig zum Teilen und Weiterlesen,
vielen Dank!

Kollegiale Grüße aus Hamburg,
Susanne Arp

--
Diese Nachricht wurde von meinem Android Mobiltelefon mit GMX Mail
gesendet.
Am 18.09.23, 21:11 schrieb "Irene W." <sirenewinkler@xxxxxxxxx>:

Liebe Frau Meusel,
nochmal eine ganz andere Idee von meiner Seite bei einem NP-Gutachten für
eine Unfallversicherung untersuchte ich mal eine 30 jährige Frau, die nach
einem leichten SHT , schwerste kognitive Einschränkungen aufwies. Diese
entpuppten sich als eine dissoziative neurologische Störung im Bereich der
Kognition( nach ICD 11 nun sehr schön diagnostizierbar), die quasi durch
das leichte SHT getriggert wurden. Übrigens sollten die Theorien zur
strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit (Van der Hart , Nijenhuis und
Steele) meiner Ansicht nach auch Neuropsychologen interessieren, da sich da
unsere beiden Fachgebiete direkt treffen....Aber nur eine Idee von
vielen....
mit lieben Grüssen
Irene Winkler

Am So., 17. Sept. 2023 um 22:46 Uhr schrieb Cornelia Meusel <
cornelia.meusel@xxxxxx>:

Hallo Herr Sahling,



leider kann ich zu dieser "alten" Hirnschädigung von 1986 wenig sagen,
da er damals noch nicht mit der aktuellen Lebensgefährtin zusammen war.
Soweit ich ihn aber verstanden habe, habe er subjektiv keine anhaltenden
Folgeschäden gehabt und sei auch wieder normal arbeiten gegangen. Ich habe
unsere Radiologen gefragt, ob man davon möglicherweise noch was im cMRT
sehen kann (Kontusionsnarben o.ä.), dies wurde aber verneint. Schließt aber
natürlich nicht aus, dass da trotzdem eine relevante Vorschädigung besteht.
Zumindest ein erhöhtes Risiko für eine dementielle Erkrankung bzw. ein
früheres Auftreten einer solchen Erkrankung könnte durch diese alte
Hirnverletzung bestehen.



viele Grüße,



C. Meusel





Hallo Frau Meusel,

Könnten die Defizite aus einer Kombination einer Vorschädigung durch den
Unfall und der zunehmenden Mikroangiopathie entstanden sein, die seine
bisher erfolgreiche Kompensation ins Wanken bringt? Wie sieht’s mit Alkohol
aus? Gab es kognitive, sprachliche, emotionale oder verhaltensmässige
Veränderungen nach dem Schädel-Hirntrauma?

Freundliche Grüße, Jochen Sahling


Gesendet von Yahoo Mail für iPhone
<https://mail.onelink.me/107872968?pid=nativeplacement&c=Global_Acquisition_YMktg_315_Internal_EmailSignature&af_sub1=Acquisition&af_sub2=Global_YMktg&af_sub3=&af_sub4=100000604&af_sub5=EmailSignature__Static_>

Am Sonntag, September 17, 2023, 14:33 schrieb Lange, Claudia <
clange@xxxxxxx>:

Hallo Frau Meusel,

Es gibt immer auch Angehörige, die eine Demenz nicht sehen wollen. Ich
würde nochmal nachfragen, was der Patient wirklich im Alltag alleine und
richtig macht. Vielleicht läuft er überall nur mit und der Rest der Familie
macht Überweisungen bzw. Den Haushalt. Da hab ich wirklich schon alles
erlebt und gerade junge Patienten haben teilweise eine hervorragende
Fassade.
Die Demenzmarker klären es auch leider nicht eindeutig, da ca. 50% der
Patienten mit DLB ein Alzheimer-Liquorprofil haben. Ich drücke Ihnen die
Daumen!

Beste Grüße
Claudia Lange

Am 17.09.2023 um 14:15 schrieb Cornelia Meusel <cornelia.meusel@xxxxxx>:




Hallo Frau Lange,



vielen Dank für Ihre schnelle Antwort! Das Irritierende an dem Fall ist
für mich ja, dass dieser Patient so ganz und gar nicht wie ein Patient mit
einem MMST von 16 wirkt und insbesondere auch die Angehörigen einen
deutlichen kognitiven Abbau verneinen ("dement ist er nicht"). Eine
präsensile DAT mit fronto-parietalem Beginn würde sicher aktuell das
Störungsbild am besten erklären, mal schauen, was die Demenzmarker
ergeben. Vergessen habe ich zu erwähnen, dass der Patient neurologisch (bis
auf die kognitiven Defizite natürlich) komplett unauffällig ist.
Insbesondere besteht auch keinerlei Bewegungsstörung. Ein PET-Scan ist wohl
angedacht.



viele Grüße,



C. Meusel





Hallo Frau Meusel,

bei einem MMST von 16 erlaubt die NPT kaum noch eine ätiologische
Zuordnung. Bei im Vordergrund stehenden visuell-räumlichen Defiziten kommt
eine DLB in Frage, bei zusätzlichen Sprachstörungen käme auch eine FTLD und
hier insbesondere eine komplexere CBD-PSP-PPA-Variante in Betracht. Eine
Alzheimer-Demenz mit FRÜHEM Beginn kann ebenfalls mit im Vordergrund
stehenden fronto-parietalen Defiziten einhergehen. Eine weitere
diagnostische Einordnung wäre mittels Datscan und FDG-PET möglich,
zusätzlich sollte der Patient neurologisch auf Symptome einer
Bewegungsstörung untersucht werden.

Viele Grüße
Claudia Lange

Am 17.09.2023 um 12:53 schrieb Cornelia Meusel <cornelia.meusel@xxxxxx>:






Liebe Kollegen & Kolleginnen,



ich "knabbere" gerade an einem Fall und würde diesen gern (mit
Einverständnis des Patienten) hier im Forum vorstellen.



Es handelt sich um einen Mann (60 Jahre alt, Abschluss der 10.Klasse,
gelernter KFZ-Schlosser, zuletzt aber seit 30 Jahren als LKW-Fahrer tätig),
der zur Abklärung einer unklaren Demenz zu zu uns überwiesen wurde. Herr X
hat im Mai diesen Jahres einen Verkehrsunfall mit seinem LKW verursacht
(ohne eigene Verletzungsfolgen) und wurde daraufhin von seinem Arbeitgeber
zu einer Abklärung seiner Fahreignung zu einem verkehrsmedizinischen
Gutachten geschickt. Dies erfolgte durch einen Neurologen, der in seinem
Befund schreibt, dass die Durchführung des WTS nicht möglich gewesen sei,
da Herr X stark verlangsamt reagiert habe. Vor dem Hintergrund eines cMRT,
welches mikrovaskuläre Veränderungen zeigte, wurde dann eine "vaskuläre
Demenz" diagnostiziert und die Fahrtauglichkeit verneint. Herr X ist
seitdem krank geschrieben.



In meinem Aufnahmegespräch fiel vor allem ein leicht verlangsamtes,
etwas stockendes und sprachlich verarmtes Sprechen auf. Zudem auch leichte
Wortfindungsstörungen. Seinen Krankenweg konnte er adäquat schildern, er
war zur Person, Situation und Ort vollständig und sicher orientiert. Die
zeitliche Orientierung machte ihm hingegen etwas Probleme, er konnte
Wochentag und Monat korrekt benennen, nicht aber das aktuelle Datum und
auch nicht das aktuelle Jahr. Er schien mit der Zahlenverarbeitung
Schwierigkeiten zu haben, probierte verschiedene Jahreszahlen durch.
Antrieb und Stimmungslage des Patienten wirkten unauffällig. Keine
Verhaltensauffälligkeiten im Gespräch und der Testsituation. Herr X
berichtete über subjektive Wortfindungsstörungen und gab auf Nachfrage auch
Konzentrations-und Gedächtnisprobleme an.



In der orientierenden Testung zeigten sich dann erhebliche Defizite in
verschiedensten Bereichen, testpsychologisch schon als leichte bis
mittelgradig ausgeprägte dementielle Symptomatik einzuordnen. Im einzelnen:



- Verlangsamung im TMT-A (PR<2), TMT-B nicht durchführbar

- Abzeichnen geometrischer Figuren (z.B. Würfel) unmöglich,
ganzheitliche Wahrnehmung erscheint schwer beeinträchtigt

- Uhrentest massiv auffällig (5 nach Shulman)

- MMST 16/30; SISCO 27/55

- Merkspanne für Zahlen, Zahlen rückwärts nachsprechen defizitär

- Lernen einer Wortliste (CERAD); Lernverlauf: 3,5,5; freier Abruf: 3,
Wiedererkennen 7/10, 1 falsch Positives

- konfrontatives Benennen: leichte Wortfindungsstörung

- Lesen: leicht verlangsamt, aber möglich, Lesesinnverständnis vorhanden

- Schreiben: viele Fehler, z.T. apraktisch wirkend

- Rechnen: erschwert, fehlerhaft

- Luria- Probe auffällig

- BADS, Schlüsselsuche: auffällig

- sprachliches Abstraktionsvermögen (Sprichworte erklären, Unterschied
Fluss/See) intakt

- AAT, Token Test 9 Fehlerpunkte, massive Schwierigkeiten im Teil 5





Fremdanamnestisch (Lebensgefährtin, Tochter, Sohn) wird über
"Schweigsamkeit" (bei aber einem wohl prämorbid auch nicht so redefreudigem
Mann) und zunehmende Wortfindungsstörungen berichtet. Sonstige
alltagsrelevante Einbußen (z.B. auffallende Vergesslichkeit,
Desorganisiertheit, Fehlhandlungen, Orientierungsprobleme u.ä) werden von
der Familie verneint. Ebenso bestünde keine Wesensänderung und/oder
Verhaltensauffälligkeiten. Im Stationsalltag ebenso keine Auffälligkeiten,
Herr X verhält sich situationsangepasst, ist selbständig und findet sich
auch problemlos räumlich zurecht. Im cMRT zeigen sich deutliche
mikroangiopathische Läsionen, aber keine relevante Hirnvolumenminderung. In
der Vorgeschichte hat Herr X 1986 eine schwere Kopfverletzung erlitten mit
einer Schädelfraktur links temporal, im cMRT seien davon aber keine
Folgeschäden sichtbar. Erste Liquorbefunde unauffällig, Demenzmarker stehen
aus.





Als erstes hatte ich (aufgrund des Eindrucks im Aufnahmegespräch) an
eine PPA gedacht, doch dafür erscheint mir das Benennen nicht schwer genug
gestört und ich hätte auch nicht diese massiven Defizite im Bereich
visuell-perzeptiver/visuell-konstruktiver Leistungen erwartet. Für eine DAT
finde ich die Gedächtnisstörung nicht ausgeprägt genug und auch nicht so im
Vordergrund stehend und ich hätte mehr Atrophie im cMRT erwartet. Die
subkortikale vaskuläre Schädigung erscheint mir alleinig nicht ausreichend,
um den Befund zu erklären. Insgesamt stört mich außerdem die erhebliche
Diskrepanz zwischen seinen Alltagsleistungen (eigene Beobachtung auf
Station/ Fremdanamnese) und den doch erheblich gestörten Leistungen in der
Testung. Hinweise auf eine psychische Erkrankung (Depression) oder
nicht-authentisches Testverhalten habe ich nicht.



Freue mich auf Ihre Ideen und Anregungen!



lG Cornelia Meusel




















--
Irene Winkler

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8280 Kreuzlingen
Schweiz

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