[sge-liste] PRESSE:FR:"Eine sehr prekäre Situation"

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  • Date: Mon, 25 May 2020 22:52:47 +0200

EINTRACHT FRANKFURT

„Eine sehr prekäre Situation“
Daniel SchmittvonDaniel Schmitt
Vor dem Spiel gegen den SC Freiburg warnt Eintracht-Trainer Adi Hütter,
stärkt seiner kriselnden Mannschaft aber den Rücken - und spricht von
„richtungsweisenden“ 90 Minuten.

Martin Hinteregger hat es getan, auch sein Kollege Sebastian Rode. Nach der
jüngsten 2:5-Watschn beim FC Bayern nahmen die beiden Spieler von Eintracht
Frankfurt das so unangenehme Wörtchen tatsächlich in den Mund:
Abstiegskampf, so hieß es unisono, sei nun angesagt. Nicht mehr und nicht
weniger. „Ab Dienstag gilt’s“, schob Rode noch treffend hinterher.




Mal von der Wortklauberei abgesehen, dass sie beim hessischen
Fußball-Bundesligisten natürlich nicht um den Abstieg kämpfen, sondern
diesen vielmehr kämpfend verhindern wollen, dribbelt der Chef der
Frankfurter Truppe, Trainer Adi Hütter, jene ach so böse Formulierung verbal
weiterhin gekonnt aus. Bei der gestrigen Pressekonferenz mit Blick auf das
heutige Heimspiel der Eintracht gegen den SC Freiburg (20.30 Uhr) sagte der
50-Jährige nur: „Bevor wir die Situation schönreden, ist es mir lieber, dass
die Spieler das Wort in den Mund nehmen. Wir müssen der Realität ins Auge
sehen und werden versuchen, von unten wegzukommen.“ Seine Mannschaft sei auf
jeden Fall deutlich mehr unter Zugzwang als der Gegner aus dem Breisgau.


Nach zuletzt fünf Bundesliganiederlagen nacheinander ist der Vorsprung der
Eintracht auf den Relegationsrang, mit einem Spiel in der Hinterhand, bis
auf vier Zähler geschrumpft – da dürften gerade am vergangenen Sonntagabend
einige Menschen im Umfeld und im engeren Zirkel des Klubs ordentlich
durchgeatmet haben, als Fortuna Düsseldorf, eben jenes Team auf Rang 16,
noch in letzter Minute einen sicher geglaubten Sieg gegen den 1. FC Köln
herschenkte. „Natürlich können wir die Tabelle lesen und sind uns der
Situation bewusst“, sagte Hütter: „Ich möchte aber auch den Appell
loswerden, dass wir von der Qualität unseres Kaders überzeugt sind.“ Die
Begegnung des Tabellenvierzehnten gegen die siebtplatzierten Freiburger sei
eine richtungsweisende – „sie als vorentscheidend zu bezeichnen, finde ich
aber übertrieben. Dafür ist es noch zu früh.“ Freilich müsse aber gepunktet
werden, so Hütter, um wieder in sicherer Gefilde des Tableaus zu gelangen.
„Wir wissen aber auch, dass wir die Qualität haben, uns herauszuarbeiten aus
der sehr prekären Situation“, sagte der Trainer. 

Doch wie genau? Ein paar sich drängende Fragen hinsichtlich Taktik und
Personal beantwortet der Fußballlehrer aus Österreich gewohnt unpräzise. Ob
er gegen Freiburg seine Abwehr umbauen und statt einer Viererkette wieder
auf eine Dreierreihe setzen werde, wurde er zum Beispiel gefragt. Seine
Antwort: „Das ist sicher eine Überlegung, eine Option, um den Gegner mit der
Aufstellung zum Nachdenken zu bringen. Aber es gibt natürlich mehrere
Varianten und Möglichkeiten für uns.“ Außerdem wollten die Reporter wissen,
ob denn auch die Variante möglich sei, mal wieder mit zwei Angreifern, also
mit Bas Dost und André Silva, gemeinsam von Beginn an stürmen zu lassen.
Hütters Replik: „Grundsätzlich geht das natürlich immer. Besser wäre es,
wenn ich wüsste, dass sie auch heil aus den Spielen herauskommen. Wir müssen
vorsichtig sein, weil Goncalo Paciencia noch nicht im Mannschaftstraining
ist. Das schließt aber nicht aus, dass wir mit zwei Spitzen beginnen.“ 

Antworten, die Fragen kaum beantworten, sind nicht erst in den vergangenen
Krisenwochen in Hütters Formulierungen übergegangen. Seit Beginn seines
Frankfurter Schaffens gibt er vorab nur äußerst selten detaillierte
Einblicke in seine Denkprozesse. Taktiken oder Personalentscheidungen lässt
er fast immer bis zum Anpfiff offen. Dies ist natürlich eines Trainers gutes
Recht, verspricht man sich dadurch doch zumindest einen kleinen Vorteil.
Zumal in der aktuellen Corona-Zeit die Geheimniskrämerei der Klubs –
bundesweit, nicht nur bei der Eintracht – ohnehin den bisherigen Höchststand
erreicht hat. Trainingseinheiten finden nicht nur in Frankfurt zurzeit
ausschließlich ohne anwesende Reporter statt, ebenso können sich gegnerische
Scouts nicht mehr unter die Kiebitze mischen. Geistertraining sozusagen. 

Hütter wird also versuchen, seinen Trainerkollegen Christian Streich zu
überraschen. Einerseits. Andererseits betonte er gestern, sich nicht zu sehr
nach den Gästen richten zu wollen. Dass das Hinspiel (1:0 für Freiburg)
aufgrund des späten Remplers von Eintracht-Kapitän David Abraham an Streich
turbulent endete, ist für Hütter zudem kein Thema mehr. Revanchegelüste hegt
er deshalb nicht. Es gehe nicht darum, es Freiburg zu zeigen, „sondern es
uns selbst zu zeigen“. 

Immerhin: Die Freiburger scheinen der ideale Kontrahent für ins Straucheln
geratene Klubs zu sein. Als „perfekten Aufbaugegner“ betitelte sie gar das
Fachmagazin „Kicker“ auf Grundlage enttäuschender Ergebnisse gegen
Mannschaften aus dem tiefsten Tabellenkeller in diesem Jahr. So verloren die
Breisgauer im Januar gegen Schlusslicht Paderborn (0:2), im Februar gegen
den Drittletzten Düsseldorf (0:2) und schließlich am vergangenen Samstag
gegen den Vorletzten Bremen (0:1). „Ich gehe davon aus, dass sie aus einer
gut organisierten Defensive heraus schnell umschalten wollen“, erwartet
Hütter mehr Spielanteile für seine Mannschaft. 

Der Coach wird seine Startelf umbauen, alles andere wäre höchst
überraschend. Im Grunde kann er nicht ernsthaft noch einmal seine beiden
schwächelnden französischen Außenverteidiger, die ihrem fußballerischen
Naturell entsprechend eigentlich Innenverteidiger sind, aufbieten. Almamy
Touré und Evan Ndicka sind in ihrer aktuellen Verfassung Sicherheitsrisiken
auf den Seiten, die möglichst vermieden werden sollten. Als Alternative
bliebe Hütter zum einen die Neubesetzung der Außenpositionen in der
Viererkette, etwa mit Danny da Costa auf rechts und Timothy Chandler auf
links. Zum anderen könnte der Trainer sein System zurückbeamen ins
vergangenen Jahr und wieder auf die erwähnte Dreierabwehrreihe bauen –
sicher die wahrscheinlichere Variante, wenngleich sie ebenfalls nicht ganz
risikofrei erscheint, setzte der Coach in den bisherigen 14 Partien des
Jahres doch fast ausschließlich auf die Viererdeckungsvariante. Eingespielt
ist anders. 

Doch auch die Vorteile liegen auf der Hand: So könnte Makoto Hasebe wieder
den Libero geben, Filip Kostic hätte auf links mehr Raum für seine Sprints
und im Angriff könnten letztlich auch zwei echte Stürmer beginnen, ohne
dabei das zentrale Mittelfeld zahlenmäßig zu schwächen. Ob nun hinten mit
drei oder vier Spielern, vorne mit einem oder zwei; Adi Hütter wird seiner
Mannschaft vor dem Anpfiff eine fast noch wichtigere Marschroute mit auf den
Weg geben. Sie soll enger zusammenrücken, sich als Team zusammenraufen und
sich gemeinsam aus der Krise arbeiten. „Wir können nur als Mannschaft
bestehen“, sagte Hütter. Worte, die ziemlich doll nach Abstiegskampf
klingen, so groß die verbalen Dribbelkünste auch sein mögen.


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