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Hallo Dr. Witt-Brummermann, liebe Kolleginnen und Kollegen
den Uhrentest und die Verhaltensbeobachtung dabei finde ich ebenfalls sehr
aufschlussreich! Und andererseits mache ich Corona-bedingt erste Erfahrung mit
kognitiver Therapie mittels Android-Tablet (lässt sich leichter Reinigen und
auf dem Patientenzimmer nutzen als der PC). So brachte mich ihr Einwand auf die
Idee, warum man den Uhrentest nicht gleich komplett PC-gestützt per Touchscreen
durchführt.
Dies würde - ein entsprechend differenziertes Testprogramm vorausgesetzt - die
Möglichkeit eröffnen, auch den praktischen Vollzug mit seinen Verzögerungen,
Selbstkorrekturen und Besonderheiten beim Ablauf elektronisch zu erfassen. Eine
quantitative und qualitative Bewertung des Vollzugs durch das Testprogramm
würde dann natürlich eine komplette Neu-Normierung des "Uhrentests am
Touchscreen" voraussetzen. Reliable Parameter des Vollzugs, die Rückschlüsse
auf kognitive Prozesse zulassen und die Verhaltensbeobachtung (fast) ersetzen,
dürften sich m.E. finden lassen.
Eine interessante und sicher Disziplinen-übergreifende Frage ist, ob es im
weiten Feld der Erfassung senso-motorischer und kognitiver Leistungen beim
Umgang mit Touchscreens schon Ansätze / Paradigmen gibt, die
Programm-Entwickler nutzen könnten.
Nach meinen ersten Erfahrungen beim Einsatz der HeadApp und der
freshminder-Apps (bei Googleplay verfügbar) zeigen auch Geriatrische Patienten
gegenüber dem Android-Tablet keine "Berührungsängste". Allerdings zeigen auch
klinisch senso-motorisch unauffällige Patienten (also ohne Arthrose,
Schlaganfall, M. Parkinson etc.) sehr große Unterschiede der visuo- und
senso-motorischen Fähigkeiten: einigen Patienten gelingt der Erwerb der
"Reaktionsroutinen" inkl. einer zweckmäßigen Finger/Hand/Arm-Stellung recht
flott; andere dagegen müssen diese Bewegungsroutinen lange und mit engmaschigem
Feedback üben, bevor sie sich voll auf die éigentliche kognitive Aufgabe
konzentrieren können. Als Ursache werden subkortikale Veränderungen diskutiert.
Was bedeutet das für die Entwicklung eines "Uhrzeichentests per touchscreen"?
Beim Training spielt eine Schwäche beim "Erwerb der Reaktionsroutinen" keine
große Rolle, solange Motivation und Erfolgserleben erhalten bleiben; dafür zu
sorgen ist mein Job. Bei der Testdiagnostik könnte eine solche Schwäche jedoch
zu einer belastenden Verlängerung der Testprozedur und / oder zu Verfälschung
der Testergebnisse führen, und somit zu einer Unterschätzung des Niveaus
kortikaler Funktionen.
Mit besten Grüßen
Alfred Wilbertz
Dipl.-Psych. Alfred Wilbertz - KNP GNP, PP
Neuropsychologie - Geriatrische Klinik am Luisenhospital - Boxgraben 99,
52064 AACHEN
TEL-DW +49 (0)241 / 414 2645 - www.luisenhospital.de -
alfred.wilbertz@xxxxxxxxxxxxxxxxx
Alfred Wilbertz - Schriftführer
Alzheimer Gesellschaft StädteRegion Aachen e.V.
Postadresse: Rathausstr. 79, 52222 Stolberg
TEL 02402 – 99 76 085 - www.alzheimergesellschaft-aachen.de -
info@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx
-----Original-Nachricht-----
Betreff: [neuropsychologie] AW: Re: Demenzscreening / Uhrentest per App
Datum: 2021-02-04T13:01:18+0100
Von: "Dr. Witt-Brummermann Matthias" <Witt-Brummermann@xxxxxxxxxxxxxx>
An: "neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx" <neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx>
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Hallo,
"Machine-Learning" mag in Zukunft vielleicht stärker sein. Bei der
vorgeschlagenen Variante des "Uhren-Test" (Abfotografieren und automatisierte
Auswertung über eine App) bleibt allerdings eine "Königsdisziplin" der
Neuropsychologie auf der Strecke: die Verhaltensbeobachtung. In diesem Fall
sehe ich am Ende nur das Produkt und versehe es mit einem Punktwert, habe aber
keinerlei Information über dessen "Entstehungsgeschichte". Da gehen mir als
Diagnostiker mit Sicherheit in vielen Fällen wichtige Hinweise zu
räumlichen-visuellen Störungen oder Problemen in der Handlungsplanung verloren.
Da ist der Nutzen der App geringer als der Preis, den ich dann in der
Diagnostik dafür zahle.
Es grüßt
Dr. Matthias Witt-Brummermann
Aatalklinik Wünnenberg
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: neuropsychologie-bounce@xxxxxxxxxxxxx
[mailto:neuropsychologie-bounce@xxxxxxxxxxxxx] Im Auftrag von mauparra@xxxxxx
Gesendet: Mittwoch, 3. Februar 2021 19:03
An: neuropsychologie@xxxxxxxxxxxxx
Betreff: [neuropsychologie] Re: Demenzscreening / Uhrentest per App
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Hallo,
wir sollten diese Techniken (ML) nutzen (die klinische Zukunft wird mit mehr
Machine-Learning kommen) und dass die Interpretation in unseren Händen bleibt.
Bislang in der Geriatrie wird der Uhren-Test von den Ergos gemacht und
automatiziert, und von den Ärzten nach festen Schemata interpretiert.
Manchmal werde ich als Neuropsycho gefragt, nicht immer, wenn die Ergos
unsicher sind.....
Frau Kühne, vielen Dank für den Nature-Link!
Mit freundlichen Grüßen,
Mauricio Parra
On 3 Feb 2021 at 12:24, ekaterina.kuehne wrote:
Hallo!
https://www.nature.com/articles/s41598-020-74710-9
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Kühne
Am Mi., 3. Feb. 2021 um 12:13 Uhr schrieb Praxis Seuling
<mail@xxxxxxxxxxxxxxxxx>:
Liebe KollegInnen, liebe Kollegen,
ist mir über den Weg gestolpert, meine Frage in die geschätzte Runde:
Kennt jemand den Autor/die Veröffentlichung? Hat jemand Erfahrungen?
https://www.gelbe-liste.de/neurologie/app-demenz-diagnose
https://www.fau.de/2020/12/news/wissenschaft/eine-app-soll-den-uhrentest-durchfuehren-u
nd-kuenftig-demenzen-erkennen/
Fröhlich aus dem etwas trüben Oberfranken
Matthias Seuling
DP/NP/PP in Bamberg
--
Mit freundlichen Grüßen
Katharina Kühne