Augsburg: Wohin steuert der neue Chef die Stadtwerke?

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  • Date: Sun, 27 Apr 2014 09:54:37 +0200

Wohin steuert der neue Chef die Stadtwerke?
(Quelle: Augsburger Allgemeine vom 25.04.2014)
Walter Casazza ist Geschäftsführer der Verkehrssparte. Im Interview spricht 
er über die geplante Linie 5, die Maxtram - und kündigt ein besseres Angebot 
an. Von Stefan Krog


Herr Casazza, wann sind Sie zuletzt mit Straßenbahn oder Bus in Augsburg 
gefahren?

Casazza: Als Fahrer bin ich zuletzt im Februar mit der Straßenbahn und mit 
dem Bus gefahren. Ich will alle Linien mal selber abgefahren haben. So 
bekommt man ein Gespür für die Verkehrsverhältnisse, wie sie unsere Fahrer 
vorfinden. Als Fahrgast bin ich zuletzt letzte Woche unterwegs gewesen. Eine 
Woche pro Monat meide ich das Dienstfahrzeug und fahre mit Bus und Tram. Da 
erkennt man aus Sicht des Fahrgastes: Wie ist das Leistungsangebot, wie gut 
sind wir, wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten?


Und, sind Sie zufrieden?

Casazza: Grundsätzlich auf jeden Fall. Aber es gibt nichts, was nicht besser 
werden kann. Einige Sachen habe ich schon in die Wege geleitet: 
Beispielsweise neigen die Fahrpläne auf einigen Linien zu Verfrühung. Da 
sind wir dabei, die Fahrpläne anzupassen. Verbesserungen muss es noch im 
frühen Abendverkehr bei der Taktdichte geben. Da setzt der 15-Minuten-Takt 
etwas früh ein. Mit der Sauberkeit bin ich durchwegs zufrieden.

Der Stadtrat hat schon beschlossen, dass es bis 20 Uhr einen dichteren Takt 
geben soll. Wann ist es so weit?

Casazza: Wir planen derzeit. Man muss aber immer schauen, wie man diese 
Leistungserweiterung finanziell darstellen kann. Da muss es Verlagerungen 
von Angebotsbestandteilen geben. Mein Ziel ist es, Ende des Jahres zum 
Fahrplanwechsel mit dem überarbeiteten Angebot zu starten.

Das heißt aber, Sie werden an anderer Stelle Angebote einsparen?

Casazza: Wir ermitteln gerade, was man in das Abendangebot investieren 
müsste und wie man das insgesamt für die Stadtwerke umsetzen kann. Es gibt 
noch keine genauen Zahlen, aber es ist schon absehbar, dass es uns mehr 
kosten wird.

Wo soll der Nahverkehr in fünf oder zehn Jahren in Augsburg stehen?

Casazza: In fünf Jahren wollen wir den Hauptbahnhof zur 
Mobilitätsdrehscheibe umgewandelt haben. Das ist das zentrale Projekt. Aber 
es gibt noch viele andere Punkte: Die Jugend hat das Auto nicht mehr im 
Fokus, sondern geht pragmatisch an Mobilitätssituationen heran. Was ist für 
mein Ziel das beste Fahrzeug? Da wird viel in Bewegung geraten, und da 
wollen wir einen Bedarf decken: Beim Carsharing gibt es in Augsburg noch 
kein so großes Angebot. Das werden wir dieses Jahr verbessern. Es soll ein 
Lückenschluss für die Fahrgäste unseres Unternehmens sein, wenn sie für 
bestimmte Fahrten zwingend einen Pkw brauchen.

Welche Rolle spielt das Fahrrad?

Casazza: Das Rad ist ein Verbündeter des öffentlichen Verkehrs. Da möchte 
ich in der Wegekette eine Lücke schließen. Wenn man zur nächsten Haltestelle 
einen weiteren Weg hat, dann wäre es vorstellbar, dass man mit einem Faltrad 
zur Haltestelle fährt, mit dem zusammengeklappten Rad in Bus oder 
Straßenbahn einsteigt und die letzten Meter wieder mit dem Rad zurücklegt. 
Wer mal gesehen hat, wie schnell das geht, wird sich dafür erwärmen können. 
Die Mitnahme normaler Räder ist bei unseren Fahrzeugen aus Platz- und 
Sicherheitsgründen nicht möglich. Da wäre das Faltrad eine Brücke.

Beim künftigen Mobilitätsverhalten schreiben Experten dem Handy eine große 
Rolle zu. Wer spontan ein Verkehrsmittel wählt, möchte sich aus dem Stand 
informieren. Inzwischen gibt es eine Fahrplan-App. Kommt mehr?

Casazza: Wir versuchen noch in diesem Jahr, eine Echtzeitauskunft aufs Handy 
zu bekommen. Dort laufen dann dieselben Informationen auf wie auf den 
elektronischen Anzeigetafeln an den Haltestellen. Fahrgäste wissen dann 
überall und jederzeit genau, wann der nächste Bus oder die nächste 
Straßenbahn an ihrer Haltestelle ankommt.

In Karlsruhe, wo Sie zuletzt gearbeitet haben, gab es in den vergangenen 
Jahren deutliche Fahrgastzuwächse. In Augsburg waren es vor dem Kö-Umbau 57 
Millionen pro Jahr. Was ist ihr Ziel?

Casazza: Wichtigstes Ziel ist, dass noch mehr und noch zufriedenere 
Fahrgäste mit uns unterwegs sind. Ich bin überzeugt, dass die Fahrgastzahlen 
auch in Augsburg gesteigert werden können. Um eine Größenordnung anzugeben, 
ist es aber noch zu früh. Rahmenbedingungen sind etwa der AVV-Tarif, der 
meiner Meinung nach zu modernisieren ist. Bestimmte Tarifangebote fehlen da. 
Dazu wird es aber noch Gespräche geben. Und wichtig wäre auch, unsere 
Fahrzeuge zu beschleunigen. An Knotenpunkten gäbe es für eine 
Bevorrechtigung noch Potenzial. Da sind wir auch in Gesprächen. 
Schnelligkeit von Bahn und Bus ist für Fahrgäste elementar.

Der Königsplatz ist seit dreieinhalb Monaten in Betrieb. Anfangs gab es 
kleine Anlaufschwierigkeiten. Können die Fahrer inzwischen wieder ihre 
Pinkelpausen nehmen?

Casazza: Wir hatten vor wenigen Wochen eine Betriebsversammlung. Der 
Kritikpunkt mit den Pausen war da kein Thema mehr. Bei der Pünktlichkeit 
liegen wir gut, aber sie ist noch steigerungsfähig. Dazu gehört auch das 
Thema Anschlüsse. Man kann auf einer Linie nicht alle Anschlüsse sichern, 
aber wir prüfen intensiv, wo die wichtigen Umsteigepunkte sind und wo man 
Prioritäten setzen muss.

Warum ist der Tunnel unter dem Hauptbahnhof so wichtig?

Casazza: Der Bahnhof ist die Drehscheibe zwischen Region und Stadt. Die 
kurzen Wege bringen eine hohe Umsteigequalität. Das ist das Entscheidende. 
Man braucht eine enge Verzahnung zwischen Regionalverkehr und städtischem 
Verkehr. Das Umsteigen muss barrierefrei sein. Das ist nicht nur für 
mobilitätseingeschränkte Menschen wichtig. Wenn es barrierefrei ist, geht es 
auch schnell für alle anderen Fahrgäste. Und der Bereich muss 
Aufenthaltsqualität ausstrahlen. Diese Ziele erreichen wir. In der 
Planfeststellung haben wir nachgewiesen, dass diese Lösung die beste ist. 
Weil das Projekt überzeugt hat, wurde die Genehmigung erteilt und ein 
Förderbescheid ausgesprochen. Wir gewinnen mehr und zufriedenere Fahrgäste.

Werden Sie bis 2019 fertig?

Casazza: Der Zeitplan ist ambitioniert. Er ist eng gefasst, zumal zwei 
Projekte überlagert sind. Wir als Stadtwerke sind für die Anbindung der 
Straßenbahn zuständig, aber gleich wichtig ist die Investition, die die Bahn 
selbst tätigt, etwa mit dem Bahnsteig F für den Regio-Schienen-Takt. Die 
Aufgabe ist komplex. Und wer die Struktur der Deutschen Bahn kennt, weiß, 
dass hier viele Köche am Werken sind.

Es gibt ein Bürgerbegehren, das die 10000 nötigen Unterschriften wohl in 
Kürze schafft. Die Initiatoren fordern einen sofortigen Baustopp...

Casazza: Ich habe den Auftrag, ein vom Stadtrat beschlossenes Projekt 
durchzuführen. Es gibt seit Jahren eine Planfeststellung und den 
Förderbescheid dazu. Die Umsetzung ist schon weit fortgeschritten. Der Zug 
ist abgefahren. Das muss eigentlich jeder erkennen.

Die Trassierung der Linie 5 war ein Grund, warum das Begehren in Gang kam. 
Grundsätzlich gefragt: Gibt es genug Potenzial für die Linie?

Casazza: Ja. Die jetzige Buslinie 32 ist gut ausgelastet. Es gibt 
aussagekräftige Fahrgastzählungen und die Linie ist Bestandteil der 
Mobilitätsdrehscheibe. Der Nachweis wurde erbracht, dass die 
Verkehrsanbindung schienenwürdig ist.

Ist die von der Stadt ins Spiel gebrachte Flügelungsvariante 
Rosenau-/Hörbrotstraße aus rein verkehrlicher Sicht eigentlich sinnvoll?

Casazza: Aus Sicht des Fahrgastes ist die Frage der Flügelung wenig von 
Belang, weil es für ihn auf die Lage der Haltestellen ankommt. Deren 
Position bleibt weitestgehend unberührt. Die andere Frage ist, wie die 
Haltestellen verbunden sind. Wenn sich bei der Prüfung herausstellt, dass 
das Verkehrsgeschehen mit der Flügelung besser abgewickelt werden kann und 
keine Fahrzeitnachteile für den öffentlichen Verkehr entstehen, kann man 
damit gut leben. Aber da sind noch weitere Untersuchungen nötig. Man muss 
auch die Kosten mitbedenken. Machbar erscheint es zumindest.

Zur Verlängerung der Linie 1 vom Ostfriedhof nach Hochzoll herrscht seit 
Jahren großes Schweigen. Weil Bürger keinen eigenen Gleiskörper in der 
Zugspitzstraße wollen, müssten Schienen in der Fahrbahn verlegt werden. 
Dafür gibt?s aber keine Zuschüsse. Kommt die Verlängerung?

Casazza: Ich kenne keinen anderen Beschluss. Der Auftrag ist, das 
Gesamtprojekt Mobilitätsdrehscheibe zu realisieren, und die Linie 1 ist 
Bestandteil. Wir werden weiter in diese Richtung arbeiten, außer der 
Stadtrat wünscht etwas anderes.

Könnte man Bestandteile aus dem Paket nicht auch fallen lassen?

Casazza: Wenn man etwas wegfallen lässt, müsste man die Auswirkungen 
betrachten. Das muss bei jeder Entscheidung eine Grundlage sein. Die 
entsprechenden Förderanträge hat man beim Bund ja abgegeben. Da müsste man 
qualifizierte Argumente finden, wenn man abändern möchte.

Die Verlängerung der 3er nach Königsbrunn ist kein Bestandteil der 
Mobilitätsdrehscheibe, aber schon seit Jahrzehnten im Gespräch. Das 
Kosten-Nutzen-Verhältnis scheint exzellent. Das muss Sie doch eigentlich 
schmerzen...

Casazza: Königsbrunn ist die größte Stadt im Landkreis Augsburg. Die anderen 
großen Städte und Gemeinden haben alle einen Bahnanschluss, nur Königsbrunn 
nicht. Wir sind mit der Straßenbahn einen Steinwurf entfernt. Mit einer 4,5 
Kilometer langen Strecke könnte man in Königsbrunn ein neues Zeitalter 
einläuten. Ich habe schon Gespräche mit Bürgermeister und Landrat gesucht 
und versuche dafür zu werben, die Erweiterung rasch zu vollziehen.

Bisher ist das Geld - vor allem die Betriebskosten - das Problem.

Casazza: Das kann nicht Augsburg für Königsbrunn meistern. Da sind andere 
Aufgabenträger zuständig. Es muss jeder auf seine Verpflichtung sehen, wie 
man eine zeitgemäße Verkehrsanbindung schafft.

Ist es aus Sicht des Nahverkehrsmanagers eigentlich sinnvoll, eine 
Straßenbahn durch die Maximilianstraße fahren zu lassen? Momentan sucht man 
ja nach einer Linie für die Straße.

Casazza: Wir haben die Aufgabe, Fahrgäste dorthin zu bringen, wo sie 
hinwollen. Der Verkehrsexperte richtet sich nach dem Kunden. Die Frage ist, 
welche verkehrlichen Effekte eine Linie durch die Maximilianstraße hat. Wie 
viele Nutzer würden Gefallen daran finden? Es geht nicht nur um 
städtebauliche Optik. In einer Straßenbahn müssen möglichst viele Fahrgäste 
mitfahren. Das wird derzeit analysiert. Was dabei rauskommt, muss man 
bewerten und der Stadtrat wird entscheiden.


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