[archimedes] Re: OT Zigaretten, Messer und der falsche Film

  • From: Steffen Huber <steffen@xxxxxxxxxxxx>
  • To: archimedes@xxxxxxxxxxxxx
  • Date: Fri, 28 Dec 2018 19:29:17 +0100 (CET)

Die kleine Brieftaube <info4m@xxxxxxxxx> hat am 20. Dezember 2018 um 09:58 
geschrieben:


Hi Steffen,

ich habe deinen Text mit sehr gemischten Gefühlen gelesen.

Nichts anderes habe ich von Dir erwartet, lieber Michael.

Ja, es gibt gewiss viele "Randprobleme", mit denen wir abgelenkt bzw. 
beschäftigt werden und die deswegen zu "Weltproblemen hochstilisiert" 
werden, aber das Setzen von Rahmen halte ich für sinnvoll und wichtig 
und letztendlich sollte das das Ziel "vernünftiger" Politik sein.

Mein Beitrag wendet sich doch nicht gegen Rahmensetzung. Nur gegen
symbolpolitische, hirnlose Rahmensetzung, die ständig mit mindestens
zweierlei Maß misst. Rahmen funktionieren nur, wenn sie in sich
schlüssig sind, sonst kommt es zu den berühmten "Schlupflöchern".

Und da gebe ich Jörg völlig recht, wenn er den 
"Planeten mit begrenzten Kapazitäten" erwähnt. "Peak everything" ist dir 
bestimmt ein Begriff und wir werden bald (spätestens Mitte der zwanziger 
Jahre) noch deutlicher erleben, wie die ganze Welt sich UNvernünftig um 
den zweiten Teil der Ressourcen (besonders Wasser, Sand, fruchtbares 
Land, Silber und seltene ...) bemühen wird; schon jetzt sind fast alle 
(illegalen) Kriege, äh "Friedensmissionen" (mit steigender Tendenz) auf 
der Welt "Ressourcen"-Missionen.

Hier hake ich mal exemplarisch ein, weil spezifisch genug um
nicht bei Adam und Eva erklärungstechnisch ansetzen zu müssen.

"Peak everything" ist mir in der Tat geläufig, allerdings
immer im Kontext "vorhergesagt, aber nie eingetreten". Beginnend
mit "Limits Of Growth", dem ersten bekannten Totalversagen eines
Computermodells..

Im Moment gibt es keine Anzeichen dafür, dass irgend eine
Ressource in den nächsten 100 Jahren knapp werden könnte. Also
"knapp" im Sinne von "sehr teures Problem". Wasser beispielsweise
gibt es en masse, sowohl Meerwasserentsalzung als auch die weitere
Aufbereitung zu Trinkwasser ist (aus unserer Sicht!) spottbillig.
Fruchtbares Land braucht außer den armen Bauern in Entwicklungsländern
eigentlich niemand, weil man Nahrungsmittel auch ohne Land herstellen
kann. Silber und andere Metalle und seltene Erden und
wasweißichnochalles gibt es in derart rauhen Mengen (und sind zudem
noch fast beliebig recyclebar und substituierbar), dass eine
kritische Verknappung außerhalb jeglicher Vorstellungskraft liegt.
Man braucht halt ggf. immer mehr Energie dafür, aber davon haben
wir überreichlich, dem Massendefekt sei dank.

Der einzige sinnvolle Knappheitsindikator, den wir haben, ist
der Preis. Ziel sinnvoller Politik müsste es also sein, alle
preisverzerrenden Elemente zu eliminieren und Politikziele
(beispielsweise "Reduktion des CO2-Ausstoßes") ausschließlich
über Bepreisung (vulgo "Steuerlast") zu regeln - nur das erlaubt
dem Markt, die optimale Lösung dafür zu finden. Nach aller Erfahrung
ist der Markt jedenfalls sehr viel besser bei der Lösung von
Knappheitsproblemen aller Art als es Politik jemals war.

"Vernunft" liegt im Auge des Betrachters und ist m.E. als
Mittel allgemeiner Gesetzgebung deshalb komplett unbrauchbar.
Manche halten es für vernünftig, in Höhlen zu leben. Andere
wollen sich vegan ernähren. Andere finden öffentliche Verkehrsmittel
angemessen. Andere finden nur biologisch-dynamisch erzeugte
Lebensmittel akzeptabel. Andere halten ein bedingungsloses
Grundeinkommen für essentiell. Andere finden 10qm Wohnraum pro
Person völlig ausreichend. Andere finden ein Tempolimit auf
Autobahnen super. Andere wollen Fernreisen verbieten. Andere
den Flugverkehr einschränken. Andere wollen die Eisenbahn
abschaffen. Andere den Individualverkehr. Und so weiter, und so
fort. Was ist jetzt "vernünftig"? Wer entscheidet das? Andere
zu ihrem Glück zu zwingen, entlang einer eigenen Vernunft, endet
in der Diktatur.

Auch "Ressourcen-Missionen" sehe ich eigentlich keine auf dieser
Welt, hauptsächlich weil die Welt verstanden hat, dass moderner
Krieg unglaublich teuer ist. Niemand wird im großen Maßstab
einen Krieg um sauberes Wasser führen oder um Ölreserven, weil
die Alternativen viel preiswerter sind. Ausnahmen im lokalen
Maßstab (Stamm A gegen Stamm B) wird es immer geben, aber die
werden immer einen Grund finden, sich gegenseitig die Köpfe
einzuschlagen.

Aber vielleicht zeigen uns auch die Franzosen, die noch einen Arsch in 
der Hose haben, wie man unserer Politik mal richtig Beine machen kann. 
Ich drücke denen auf jeden Fall beide Daumen.

Leider ist das Ergebnis - also die angekündigte Anpassung von
Details durch die Politik - ein typischer Vertrag zu Lasten dritter.
Denk' an meine Worte, wenn der deutsche Steuerzahler für die
französischen Konsumwünsche aufkommt (wie er es bereits bei den
Griechen machen durfte und eventuell bald bei den Italienern machen
darf und im Prinzip indirekt für ganz Europa durch die irrsinnige
Nullzinspolitik der EZB schon tut).

PS. Ich möchte mit meinem Beitrag aber keine Diskussion anfangen.

Zu spät :-)

Gruß
hubersn

-- 
Steffen Huber LambdaComm System – Welcome to Trollinger Country
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