[sge-liste] SZ :Ein Schritt, der Unverständnis auslöst

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  • Date: Wed, 14 Apr 2021 18:33:33 +0200

Eintracht Frankfurt
:
Ein Schritt, der Unverständnis auslöst

Adi Hütter wird zur kommenden Saison Trainer in Gladbach - die Frankfurter
verlieren damit in einer der besten Spielzeiten der Vereinsgeschichte die
gesamte sportliche Leitung.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Dienstreisen in den Borussia-Park waren für Adi Hütter bislang nicht mit
Glücksgefühlen verbunden. Zweimal verlor der Trainer mit Eintracht Frankfurt
bei Borussia Mönchengladbach: 2:4 im Oktober 2019, 1:3 im September 2018.
Und dann gab's ja noch jene 1:6-Klatsche in den Champions-League-Playoffs
mit Young Boys Bern im August 2016. Vier Tage vor dem vierten Gastspiel am
Niederrhein hat der Fußballlehrer aus Vorarlberg nun verkündet, dass jene
bislang nicht von persönlichen Erfolgserlebnissen gesegnete Spielstätte von
Sommer an sein nächster Arbeitsplatz sein wird.

"Die Entscheidung, zur neuen Saison ein neues Kapitel aufzuschlagen, habe
ich mir nicht leicht gemacht", teilte der Frankfurter Chefcoach mit, der in
Mönchengladbach einen Dreijahresvertrag erhalten wird. Das Bundesligaspiel
zwischen der Borussia und der Eintracht an diesem Samstag (15.30 Uhr) wird
für den 51 Jahre alten Hütter zur skurril anmutenden Begegnung von Zukunft
und Gegenwart.

"Er ist für unsere Mannschaft und unseren Verein der beste Trainer für die
ab dem Sommer vor uns liegenden Herausforderungen und Ziele", sagte
Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. Ihm war es gelungen, den begehrten Coach
von den Perspektiven und dem Mythos eines besonderen Traditionsvereins zu
überzeugen. Möglich wird der Wechsel, weil Hütter in seinem bis zum 30. Juni
2023 datierten Vertrag über eine Ausstiegsklausel verfügt: Freigabe gegen
7,5 Millionen Euro Ablöse. Vor drei Jahren, bei seinem Wechsel von Young
Boys Bern nach Hessen, hatte er noch 850 000 Euro gekostet.

Dass Hütter so rasch weiterzieht, stößt in Frankfurt auf Unverständnis
Hütters Marktwert hat sich also fast verzehnfacht, weil er das Frankfurter
Team auf einen attraktiven, körperbetonten Powerfußball polte, der erstmals
in der Vereinsgeschichte in die Champions League führen könnte. Dem
aktuellen Bundesliga-Achten Mönchengladbach winkt hingegen eher die Premiere
der neu erschaffenen Europa Conference League, eine Art drittklassiger
Europapokal.

Eilig versicherte Hütter, er wolle diese Saison mit einem "herausragenden
Ergebnis" abschließen, man habe hier "eine historische Chance". Dass er
entgegen einem Treueschwur aus dem Februar ("Ich bleibe") so rasch
weiterzieht, stößt in der Mainmetropole auf mächtig Unverständnis. Offenbar
empfindet der Coach "drei erfolgreiche und intensive Jahre" als ausreichend
- als Köder soll zudem ein deutlich höheres Gehalt als bei der Eintracht
gedient haben, wo Hütter bei rund drei Millionen Euro veranschlagt wird.

Dass er sportlich der passende Übungsleiter ist, um die anfangs bestens
greifende Marco-Rose-Lehre bei der Fohlenelf fortzuführen, steht außer
Frage: Die Vorliebe fürs frühe Attackieren macht beide Trainer zu
Fußball-Brüdern im Geiste, wenn sie auch als Charaktere nicht viele
Parallelen aufweisen.

Während Mönchengladbach damit den Nachfolger für den zu Borussia Dortmund
abwandernden Trainer Rose gefunden hat, fangen die Bastelarbeiten in
Frankfurt erst an. Sportdirektor Bruno Hübner, 60, hört nach zehn Jahren
auf. Sportvorstand Fredi Bobic, 49, kündigte vor Wochen seinen Ausstieg aus
dem bis 2023 laufenden Kontrakt an. Er verhandelt über die Entschädigung zur
vorzeitigen Vertragsauflösung selbst, will dann mutmaßlich aus Hertha BSC in
der von ihm als Lebensmittelpunkt präferierten Hauptstadt einen Big City
Club formen.

Damit geht der Eintracht in einer der besten Spielzeiten der wechselhaften
Historie die gesamte sportliche Leitung verloren - ein einmaliger Vorgang.
Die Fluktuation nach jahrelanger personeller Kontinuität auf dieser Ebene
kommt zur Unzeit. Bisher hat die Unruhe nicht auf die Mannschaft abgefärbt,
aber eine Niederlage in Mönchengladbach könnte das erste Störfeuer werden;
es folgen Partien gegen den FC Augsburg (20. April) und bei Bayer Leverkusen
(24. April). Bobic teilte flehentlich mit, dass dem Erreichen der Champions
League "unsere gesamte Aufmerksamkeit in den kommenden fünf Wochen" gilt.
Hütter versicherte: "Alles, was für mich jetzt zählt, ist der Erfolg der
Eintracht. Wir wollen unseren Vorsprung verteidigen."

Die Fußstapfen sind für jeden neuen Manager und Trainer riesig
Hinter den Kulissen ist derweil Aufsichtsratschef Philip Holzer gefordert.
Dem ehemaligen Investmentbanker obliegt in den Personalfragen mit den
Kollegen aus dem Kontrollgremium die Hoheit. Er gilt als
öffentlichkeitsscheuer Stratege, der aber den Blick gerne weitet. Offenbar
ist der Verein bei der Suche nach einem Sportvorstand deutlich weiter, als
viele denken. Entgegen erster Dementis könnte nun auch Ralf Rangnick im
Gespräch sein, zumindest berichteten das mehrere Medien am Dienstag.
Allerdings hieß es zunächst auch aus Rangnicks Umfeld, dass noch kein
Kontakt stattgefunden hätte. Ausgang offen.

Die Fußstapfen für jeden neuen Manager und Trainer sind im Stadtwald fast
schon riesig. Die Troika Bobic/Hübner/Hütter leistete bei der
Transferpolitik und Spielerentwicklung herausragende Arbeit. Ein
vielversprechender, werthaltiger Kader und ein erst durch Corona gestoppter
Wachstumskurs zu einem der 20 umsatzstärksten Klubs Europas zählen zu ihren
Verdiensten. Der erstmalige Einzug in die Königsklasse wäre die Krönung.
Werden indes die sieben Punkte Vorsprung vor Borussia Dortmund jetzt noch an
den letzten sechs Spieltagen verspielt, sind die Schuldigen bereits
ausgemacht.


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