[sge-liste] PRESSE:SGE4EVER:Die Systemfalle

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  • Date: Sun, 8 Dec 2019 16:24:58 +0100

Die Systemfalle
Von Laura Krüger -07.12.2019 - 17:54 Uhr18

Trotz Aufholdjagd fühlte sich das Unentschieden für die Eintracht wie eine
Niederlage an. Die Hessen belohnen sich aktuell für den betriebenen Aufwand
nicht. (Bild: imago images / osnapix)
Nach der verdienten Niederlage gegen den FSV Mainz 05 ging es für die
Eintracht im eigenen Stadion gegen Hertha BSC Berlin vor allem darum, den
Negativtrend endlich zu stoppen. Mit drei Niederlagen im Rücken wollten die
Hessen endlich wieder zurück zu alter Stärke finden und einen für den
Anschluss an die obere Tabellenhälfte so wichtigen Sieg einfahren. Am Ende
musste die SGE sich mit einem 2:2 begnügen und das obwohl man einerseits
spielbestimmend war und andererseits unglaublich viel investiert hat. Die
Frankfurter stecken längst nicht mehr nur in einer reinen Ergebniskrise.
SGE4EVER.de hat das Spiel wie immer noch einmal analysiert:

Vorne ohne Durchschlagskraft und hinten offen
Adi Hütter wechselte im Vergleich zur Partie gegen Mainz auf einigen
Positionen. Makoto Hasebe kehrte als Libero zurück in die Startelf und
Martin Hinteregger und Almamy Touré formten die Dreierkette an seiner Seite.
Der zuletzt stark aufspielende Evan N´Dicka musste überraschenderweise
wieder auf die Bank, was vor allem daran liegt, dass der Franzose ebenso wie
Hinteregger ein Linksfuß ist und es deshalb aus Hütters Sicht meist nur
Platz für einen der beiden gibt. Auf den Außenbahnen bot der Österreicher
erneut Filip Kostic und den formschwachen Danny da Costa auf und entschied
sich im Mittelfeld für Gelson Fernandes und Djibril Sow. Davor sollte Daichi
Kamada die beiden Stürmer Goncalo Pacienca und André Silva mit Bällen
füttern. In der Realität war es jedoch meistens wie zuletzt. Das Spiel der
Eintracht ging ausschließlich über die Außenbahnen, immer wieder segelten
Flanken aus dem Halbfeld in den Strafraum und fanden dort keinen Abnehmer.
Silva und Pacienca hingen daher meistens in der Luft. Typisch für die
aktuelle Krise war dann, dass die harmlos agierenden Berliner aus ganz wenig
sehr viel machten. Mit der nahezu ersten gefährlichen Szene konnten sich die
Hauptstädter locker durch den Sechzehner kombinieren und zur Führung
einschieben. Neben den offensiven Problemen haben die Frankfurter aktuell in
der Defensive oftmals viel zu große Lücken und sind sehr leicht zu
überwinden. Die defensive Stabilität des letzten Jahres geht in allen
möglichen Konstellationen der Dreierkette in dieser Saison meistens komplett
verloren. In der zweiten Halbzeit, in der die Hessen fest entschlossen
waren, das Spiel zu drehen, konnte die Hertha wieder aus dem Nichts ein Tor
erzielen und den Vorsprung auf 2:0 ausbauen. Es passte zwar überhaupt nicht
zu den Spielanteilen und zu dem Aufwand, den einzig und allein die
Frankfurter betrieben, aber es passte sehr wohl in das Frankfurter Bild der
letzten Wochen. Während man selbst jede Menge Aufwand betreibt, aus dem man
nichts Zwingendes entwickeln kann, kommt der Gegner mit einfachen Mitteln
und ohne große Probleme zu gefährlichen Szenen und dann folgerichtig auch zu
Toren. Auch wenn der Schiedsrichter alles andere als ein Heimschiedsrichter
war und schon zu Beginn der zweiten Hälfte einem Berliner die gelb-rote
Karte hätte zeigen müssen, kann man inzwischen nicht mehr nur von Pech oder
fehlendem Spielglück sprechen. Die Probleme der Hessen werden
offensichtlicher und haben tiefergehende Ursachen.

Die Systemfalle
Eintracht-Trainer Adi Hütter übernahm bei seiner Ankunft in Frankfurt, die
von Niko Kovac eingeführte Dreierkette, obwohl er selbst eigentlich eine
Viererkette bevorzugt. Kovac hat die Dreierkette, beziehungsweise
Fünferkette aufgrund des damaligen Spielermaterials eingeführt und ein auf
Konter und überfallartigen Fußball ausgerichtetes Spielsystem geschaffen.
Man hatte schnelle Außen und vorne Spieler, die die Bälle festmachen
konnten. Im Zuge der Sommertransferperiode wollte Hütter mit Spielerkäufen
wie Sow und Dominik Kohr das Spiel der Hessen variabler machen und aufgrund
der hohen Belastungen des Überfall-Fußballs mehr auf Ballbesitz ausrichten.
Die Hessen haben auch in dieser Saison deutlich mehr Ballbesitz und
Spielkontrolle, allerdings kann dieses Übergewicht kaum bis gar nicht in
Tore umgemünzt werden. Im zentralen Mittelfeld hat man inzwischen eine große
Auswahl an Spielern, aber es fehlt trotz allem ein Spieler, der das Spiel
machen kann, der in die Schnittstellen kommt und entsprechende Lücken reißt.
Es folgen immer wieder leichte Ballverluste, die dann die weit aufgerückte
Dreier- beziehungsweise Fünferkette in große Schwierigkeiten bringt. Die
Abwehrspieler müssen sich aufgrund des kreativen Vakuums im Mittelfeld immer
wieder in die Offensive einschalten. Hasebe ist oftmals auf der
Achterposition zu finden und spielt dort den öffnenden Pass. Hinteregger und
gestern Touré versuchen sich entweder zentral durchzusetzen und einen
Gegenspieler zu ziehen, um eine Lücke zu reißen oder unterstützen die
Flügelspieler. Aufgaben, die in der Regel durch das Mittelfeld übernommen
werden sollten. Sobald dann der Ball verloren wird, ist die Absicherung
nicht mehr da oder die Spieler, die aus dem Mittelfeld nach hinten rücken,
können die Absicherung nicht umsetzen. Das Problem der leichten Gegentore
fängt also schon vorne an. Es wird nicht mehr sofort gepresst und wenn, dann
wirkt es oft halbherzig. In der letzten Saison waren es vor allem vorne
abgefangene Bälle, die dann im Umschalten dafür sorgten, dass man den Gegner
in der Unordnung erwischte und daraus eiskalt Kapital schlagen konnte. Die
aktuelle Spielweise ist im Ballbesitz zu eindimensional und längst von den
Gegnern entschlüsselt worden. Auch im gestrigen Spiel hatte man mit 22:4
Flanken wieder einmal unzählige Flanken als Offensivmuster. Die Flanken sind
weiterhin viel zu unpräzise und daher sehr leicht zu verteidigen.

Die Moral stimmt
Die Hessen sind mit Köln und Paderborn aktuell das formschwächste Team der
Liga. Trotz dieser Misere sind die Frankfurter natürlich weit davon entfernt
ein ernsthafter Abstiegskandidat zu sein oder zu werden. Die Mannschaft ist
intakt und sie beweist immer wieder eine beeindruckende Moral. Auch die
gestrige Aufholjagd trotz der vielen Negativerlebnisse zeigte einmal mehr,
dass diese Mannschaft sich nicht aufgibt. Mit 216:180 Sprints war man dem
Gegner auch körperlich überlegen und das obwohl man elf Pflichtspiele mehr
in den Knochen hat. Konditionell scheint tatsächlich eine hervorragende
Grundlage gelegt worden zu sein, denn auch in Unterzahl gegen Mainz und
Freiburg schien man gegen Ende des Spiels sogar überlegen. Letztendlich
nicht nur aufgrund der vielen Pflichtspiele überraschend, sondern vor allem
auch, weil trotz breitem Kader relativ wenig rotiert wird und man trotz Erik
Durm und Timothy Chandler gefühlt wieder keine Alternative für die
Außenbahnen hat. Auch das Wechselkontingent wird in Englischen Wochen
oftmals nicht ausgenutzt, die Wechsel kommen teilweise auch sehr spät.
Hütter scheint das Vertrauen in die zweite Reihe aktuell nicht zu haben. Nun
gilt es alle Kräfte für die letzten Spiele zu mobilisieren und sich dann
idealerweise in der Winterpause Gedanken zu machen. Hat man die passenden
Spieler für das gewünschte Spielsystem? Werden die Spieler, die aktuell
angeschlagen sind, fit für die Rückrunde? Sollte man das Spielsystem
gegebenenfalls wieder mehr in Richtung Konterfußball umstellen? Es war zu
erwarten, dass die Saison nach dem Abgang der Büffelherde eine schwierige
werden würde. Die Mannschaft, die ein neues Gesicht verliehen bekommen hat
wird Zeit brauchen und diese Zeit sollte man ihr auch geben. Bis dahin
sollte man nun die Ruhe bewahren und das Spielglück zurück erkämpfen. Schon
am Donnerstag hat die Mannschaft die große Chance sich für die K.O.-Runde in
der Europa-League zu qualifizieren und neues Selbstvertrauen zu tanken.


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