Re: Wie Blinde sehen

  • From: Horst Göttler <FFRG@xxxxxxxxxx>
  • To: MobilInBayern@xxxxxxxxxxxxx
  • Date: Sat, 25 May 2013 12:47:36 +0200

Hallo Gustl,

danke dafür.

Aus den Nürnberger Nachrichten:

> „Diese Technik ist nicht für jedes Kind geeignet", weiß Gabriele
> Feigl, Gesamtleiterin der Frühförderung am BBS Nürnberg. Es handele
> sich dabei um eine sehr individuelle Geschichte, ob man besser mit
> dem Klicken oder einem Blindenstock zurechtkomme. ...

Oh, böser Fehler. Ich weiß, dass das sicher so nicht gefallen ist und
seitens der Journalistin eine ungute Darstellung war. Zum einen hat
Daniel Kish selbst einen Stock verwendet und die Schnalzlaute von sich
gegeben, und zum anderen wurde in dem Seminar im BBS Nürnberg  am 19.04.
auch sehr deutlich darauf hingewiesen, dass der Umgang mit dem Stock ein
wesentlicher Bestandteil von Daniels Konzept ist.

Nun zu Deinen Anmerkungen, Gustl:

> Was laut bbs in Nürnberg bereits geschult wird, ist wohl so neu
> nicht. Der Einsatz des Gehörs zur Orientierung ist sicher so lange im
> Gebrauch, wie es blinde Menschen gibt. ...

Ja, das ist richtig. Ich konnte das sozusagen ohne Training von
frühester Kindheit an. Wenn ich nicht gerade vor mich hindenke oder
schussele, kann ich auch Laternen-  und Ampelmasten hören und
voneinander unterscheiden. Ich höre sogar die sog. Eiertrenner.

> Faszinierend, ja geheimnisvoll, kommt mir jedoch die Methode vor, aus
> dem Zungen-Klick Bilder der Umgebung zu gewinnen. Darüber, wie man so
> etwas trainiert und perfektioniert, möchte ich gerne mehr wissen.
> Schade, dass das an mir vorbeiging. Weiß jemand mehr darüber als
> Schlagzeilen?

Ja. Ich war aus meinen eigenen Fähigkeiten diesbezüglich Neugierig und
habe die über drei Stunden dauernde Veranstaltung besucht. Es war
wirklich hoch interessant.

Zuerst einmal ist wichtig, zu wissen, wie das funktioniert. Dafür ging
Daniel Kish überwiegend auf die Funktionsweise des Gehirns ein. Die
Echolokalisation findet in denselben Bereichen des Gehirns statt, wie
das Verarbeiten des Gesehenen.

Am Schluss folgte dann eine kleine Demonstration der Echolokalisation,
und diejenigen, die so etwas vorher noch nicht wahrnahmen, konnten das
am Ende mehrheitlich.

Daniel Kish hat vor allem darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, den
Umgang mit dem Stock und das eigentlich richtig bezeichnete Flash Sonar
von frühester Kindheit an zu trainieren. Damit meint er nicht erst mit
beispielsweise sechs Jahren, sondern sobald ein Kind laufen kann. Dafür
ist es zuerst aber einmal wichtig, dass man als blindes Kind von den
Eltern dieselben Freiheiten bekommt, wie sie einem sehenden Kind gewährt
werden, und das ist in erster Linie das Hauptproblem. Seine Arbeit zielt
vor allem darauf ab, Eltern blinder Kinder dahingehend zu unterstützen,
dieses Ziel zu erreichen, loslassen zu können, Vertrauen in ihre Kinder
zu haben, dass die Kleinen sich den Kopf ruhig stoßen dürfen und das
besser ist, als in Watte gepackt und ständig an die Hand genommen zu
werden. Denn nur, wer diese Freiheiten hat, kann sehr früh die
Echolokalisation kinderleicht in dreidimensionale Bilder umwandeln.

Versucht doch mal, ob ihr nicht aufh durch das Zungenschnalzen
herausbekommt, wie hoch ein Raum ist, ob er eher rechteckig oder
quadratisch ist usw. Ich weiß, dass das geht. Und darauf aufbauend kann 
man mit ständiger Übung auch sagen, wie weit etwa ein Gebäude von einem 
weg ist oder sich in der Mitte des leeren Hauptmarktes gerade vom 
Standesamt aus bis zu den gegenüberliegenden Gebäuden bewegen.

Ja, natürlich kann das nicht jeder. Das darf man nie vergessen. Es 
bedarf klar eines gewissen Hörvermögens und sicher auch, ob man beim 
Versuch des Erlernens in späteren Jahren die "eingestaubten" 
Gehirnzellen entsprechend aktivieren kann...

Daniel Kish perfektioniert in der Tat eine altbekannte Fertigkeit, die
wir durchaus besitzen und sicher mehr oder weniger bewusst schon immer
eingesetzt haben. Aber das Konzept, das dahintersteht, und die
hervorragende Menschenkenntnis und die Kenntnisse im psychologischen und
pädagogischen Bereich, die Daniel Kish erlangen konnte, sind sehr
beeindruckend.

Liebe Grüße, Horst
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