Hallo den Mobilen, zunächst was die SZ-Leser heute lesen. Danach kommt die Stellungnahme des BBSB, wie sie bei der Podiumsdiskussion verteilt wurde. München City Die Systeme lösen noch sehr oft falschen Alarm aus. U-Bahnsteige sollen sicherer werden Neue Technik warnt Fahrer, wenn Menschen ins Gleis stürzen - zunächst aber nur im Testbetrieb an zwei Haltestellen Von Marco Völklein München - Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) will mit einer neuen Technik verhindern, dass betrunkene oder blinde Menschen, die an einem U-Bahnhof ins Gleis fallen, von einem einfahrenden Zug überrollt werden. Solche Fälle hatten sich 2011 gehäuft; die MVG hatte den Einbau solcher Technik aber bislang stets aus Kostengründen abgelehnt. Nun will sie die Technik testen und weiterentwickeln. Sollte sie sich bewähren, könnte sie an allen knapp 100 U-Bahnhöfen zum Einsatz kommen. Zusammen mit der Universität Dresden will das Unternehmen eine Art Videoüberwachung ausprobieren. Dabei erfassen vier bis fünf Kameras das Gleisbett. Fällt ein Mensch hinein, lösen die Kameras eine Warnung aus. 'Der Fahrer kann dann reagieren und ganz langsam in den Bahnhof einfahren', sagt MVG-Betriebsleiter Michael Richarz. Derzeit löst die Technik allerdings noch sehr oft Fehlalarme aus - etwa wenn eine weggeworfene Zeitung ins Gleis flattert. An oberirdischen Bahnhöfen machen zudem Lichtreflexe, Nebel und Schnee Probleme. Das hatten auch Versuche bei der U-Bahn in Nürnberg gezeigt. Dennoch sollen die Fachleute die Technik nun in München an zwei Stationen ausprobieren und weiterentwickeln - gedacht ist an einen Testlauf an einem unterirdischen Bahnhof sowie an einem überirdischen Haltepunkt. Wo genau, ist noch offen. Die Aktion Münchner Fahrgäste und die CSU begrüßten den 'Sinneswandel der MVG'. Bis die Technik flächendeckend eingesetzt wird, dürfte es noch dauern - schon aus finanziellen Gründen. Pro Bahnsteigkante müsse man mit etwa 100000 Euro rechnen, sagt Richarz. Bei stadtweit 214Bahnsteigkanten kämen Investitionskosten von mehr als 20 Millionen Euro auf die MVG zu. SPD-Stadtrat Christian Müller versichert allerdings, sollte die Technik funktionieren, 'werden wir diese natürlich auch einführen'. Sicherlich nicht 'von heute auf morgen an jedem Bahnhof', schrittweise aber schon. Die Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn hält sich indes zurück. Man kenne die Technik und beobachte die Arbeit der Fachleute in Dresden, sagt Karl Heinz Holzwarth, Qualitätsbeauftragter der Bahn in Bayern. Doch bislang verweigere das Eisenbahnbundesamt als Aufsichtsbehörde den Systemen noch die Zulassung für Bahnstrecken. Die MVG prüft zudem noch einen anderen Punkt, um die Sicherheit zu verbessern: So kommt es immer wieder vor, dass Blinde und Sehbehinderte die Zwischenräume zwischen den alten U-Bahn-Waggons mit Türen verwechseln und ins Gleis fallen. Erst im Dezember war ein Mann am Rotkreuzplatz auf diese Weise tödlich verunglückt. Die MVG will nun die kurzen Abstände zwischen den Waggons mit Gummibändern absichern. Die langen Abstände, in denen sich die Kupplungen zwischen zwei Doppeltriebwagen befinden, sollen mit einem Infrarot-Lichtgitter erfasst werden - fällt ein Menschen dazwischen, erhält der Fahrer eine Alarmmeldung. Allerdings ist auch diese Technik noch nicht ganz ausgereift, man arbeite daran, versichert Richarz. Zudem müssten die Gummibänder wie die Infrarot-Sensoren erst noch von der Zulassungsbehörde abgenommen werden. Dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund geht das nicht weit genug: 'Der beste Schutz ist, das Hereinfallen zu verhindern', sagt der Landesverkehrsbeauftragte Gustav Doubrava - etwa durch Bügel an den Zug-Frontseiten. Quelle Verlag Süddeutsche Zeitung Datum Freitag, den 16. März 2012 Nun die Stellungnahme, die bewusst etwas breiter angelegt wurde. Stellungnahme des BBSB vom 14.03.2012 Anforderungen an die Sicherheit im Verkehr, insbesondere bei der U- und S-Bahn Der Tod fährt immer noch mit Der tödliche Gleissturz einer jungen blinden Frau am 10. Juni 2009 offenbarte eine Schwachstelle im Betrieb gekuppelter U-Bahnzüge. Der BBSB hatte gehofft, dass sowohl die Verantwortlichen bei der MVG als auch bei der Landeshauptstadt München Bereitschaft erkennen lassen würden, weitere Stürze in den Kupplungsbereich technisch zu verhindern. Am 28. Dezember 2011 kam es wieder zu einem Sturz eines blinden Mannes in den Kupplungsbereich zweier U-Bahnwagen. Auch dieser Sturz hätte tödlich enden können. Nur durch die verzweifelten Hilferufe seiner Frau wurde ein Fahrgast veranlasst, den Nothalt zu betätigen, ehe der Zug anfuhr. Wie oft, so fragen blinde und sehbehinderte Fahrgäste, müssen Menschen noch ihr Leben verlieren oder schwere Verletzungen erleiden, bis die MVG und die Landeshauptstadt bereit sind, in die Sicherheit zu investieren? Gleisstürze sind nicht nur eine Gefahr für blinde und sehbehinderte Menschen. Im Gedränge kann es auch passieren, dass Fahrgäste, namentlich Kinder, abstürzen oder durch Gewaltanwendung ins Gleis gestoßen werden. Vorsicht und Rücksicht genügen nicht Das Recht, am öffentlichen Verkehr teilzunehmen, besteht uneingeschränkt für alle Menschen. Die Straßenverkehrsordnung enthält im § 1 lediglich die Verpflichtung zur Vorsicht und zur gegenseitigen Rücksichtnahme. Dazu gehört, dass Menschen, die sich nicht sicher im Verkehr bewegen können, Vorsichtsmaßnahmen treffen, um sich selbst und andere nicht zu gefährden. Vermeidung von Unfällen Die für die Verkehrssicherheit und für die Unfallverhütung zuständigen Stellen treffen durch den Erlass von Vorschriften, mit konstruktiven Vorgaben und baulichen Maßnahmen in der Regel Vorkehrungen zur Vermeidung von Unfällen und setzen dafür nicht unerhebliche öffentliche Mittel ein. So werden unfallträchtige Gefahrenstellen im Straßenraum etwa durch die Beseitigung von Engstellen, gefährlichen Kurven und unübersichtlichen Einmündungen ?entschärft?, Brückengeländer erhöht, Absturzstellen gesichert usw. Maßnahmen, die der Vermeidung und Beseitigung von Gefahren für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, mit sensorischen und kognitiven Beeinträchtigungen im Sinne deren ungehinderter Teilhabe am Leben der Gemeinschaft notwendig sind, müssen mit der gleichen Priorität umgesetzt werden, wie Maßnahmen zum Schutz der als uneingeschränkt verkehrstüchtig geltenden Menschen. Zweierlei Maß Während etwa Lichtsignalanlagen zur sicheren Querung von Fahrbahnen nach bestimmten Kriterien vorgesehen werden, wird deren Ausstattung mit akustischen und taktilen Zusatzeinrichtungen für Blinde und Sehbehinderte immer noch davon abhängig gemacht, dass dort häufig Menschen mit nicht vorhandenem oder stark eingeschränktem Sehvermögen queren, für sie bestimmte Einrichtungen in der Nähe sind, ein durchgehendes Leitsystem besteht und eine besondere Gefährdung gegeben ist. Vielerorts finden sich im Verlauf von Gehwegen abwärts führende Stufen, die weder taktil durch Noppenprofile und visuell durch kontrastierend gestaltete Stufen als Gefahrenstellen erkannt werden. Parallel geführte Geh- und Radwege sind in der Regel nur durch unterschiedliche Oberflächengestaltung oder durch einen weißen Strich getrennt. Das trifft ebenfalls auf Bahnsteige des Schienenverkehrs zu, nicht nur auf Stationen untergeordneter Kategorien, sondern sehr wohl auch auf Umsteigebahnhöfe und S-Bahnstationen etwa in den S-Bahnnetzen München und Nürnberg. Ein weißer Strich mag als Markierung des Gefahrenbereichs auf dem Bahnsteig für Menschen die sehen können durchaus ausreichen; für Blinde ist er nicht vorhanden, weil nicht wahrnehmbar. Man setzt sie also der Gefahr aus, ins Gleis zu stürzen. Eigentlich müsste man solche Bahnsteige aus Sicherheitsgründen sperren. Wenn es aber einmal trotz Führhund oder Langstock zu einem Gleissturz kommt, spricht man von einem bedauerlichen Unfall und nicht von einer ungenügend gesicherten Verkehrsanlage. Jeder Gleissturz ist einer zuviel Es mag richtig sein, dass die Gefahr im Straßenverkehr zu verunglücken, weitaus größer ist als im Bahnverkehr. Damit von nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen abzulenken und den Status quo zu beschönigen, vermeidet keinen einzigen Bahnunfall. Selbst wenn die körperhafte Abtrennung des Gleisbereichs bis zum Stillstand des Zuges da und dort praktiziert wird, kann an ihre generelle Einführung im Schienenverkehr nicht gedacht werden; von der Planung völlig neuer und in sich geschlossener Bahnsysteme abgesehen. Wir werden es also in aller Regel mit offenen Gleissystemen zu tun haben. Sicherer Bahnsteig Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den Bahnsteig so sicher zu machen, wie das irgend möglich ist. Das Verlassen des sicheren Bereichs muss taktil deutlich wahrnehmbar durch Bodenindikatoren nach DIN 32984:2011-10 erfolgen, deren Wahrnehmbarkeit den Profilen nach DIN 32984:2000-05 und den in den 80er und 90er Jahren eingefrästen Rillen wesentlich überlegen ist. In den Natursteinbelag gefräste Rillen weisen keinen visuell wahrnehmbaren Kontrast zum Bahnsteig auf. Unbedingt erforderlich ist daher ein visuell wahrnehmbarer Kontrast durch den Einbau von Bodenindikatoren, mit einem Leuchtdichtekontrast größer 0,4 nach der Michelson-Formel, entsprechend DIN 32975:2009 oder von entsprechend kontrastierenden Begleitstreifen, wie das bei der DB zum Standard geworden ist. Lichtbänder oberhalb der Bahnsteigränder bei unterirdischen oder überdachten Bahnsteigen sorgen nicht nur für eine bessere Wahrnehmung des markierten Bereichs. Sie können von Menschen mit einem minimalen Sehvermögen noch erkannt und als Orientierungshilfen genutzt werden. Gleisbettüberwachung Bei Bahnsystemen mit dichter Zugfolge, hoher Einfahrgeschwindigkeit und nicht optimaler Einsicht des Gleisbereichs in der Station können Systeme zur Gleisbettüberwachung zwar Gleisstürze nicht verhindern, jedoch Leben retten. Bei konventionell betriebenen U-Bahnen sind nicht nur im Interesse blinder und sehbehinderter Menschen Systeme zur Unterstützung des Fahrpersonals und der Leitstelle zu fordern, wie sie nach Darstellung der MVG zurzeit getestet werden. Todesfalle Kupplungsbereich Die Verwechslung des Kupplungsbereichs mit der Tür dürfte bei sorgfältiger Anwendung von Sicherheitsstrategien, wie man sie im Orientierungs- und Mobilitätstraining lernt, nicht vorkommen. Es genügt, einen Moment nicht vorsichtig genug zu sein. Der nächste Schritt kann den sicherenTod bedeuten. Wenn alle Menschen zu jeder Zeit voll aufmerksam wären, Vorsicht und Umsicht walten ließen, dürfte es Unfälle überhaupt nicht geben. Eine Anfahrverhinderung nach einem Sturz in den Kupplungsbereich kann das Leben retten, nicht aber schwerste Verletzungen und bleibende Folgen vermeiden. Uns überzeugen die Argumente der MVG gegen eine mechanische Sicherung des Kupplungsbereichs nicht. Es muss möglich sein, Bügel an den beiden Wagenenden zu befestigen, die sich selbst beim Durchfahren von Gleisradien nicht berühren, Der untere Teil des Bügels müsste in einer Höhe von 10-15 cm über Bahnsteigkante und der obere Teil unterhalb der Fensterhöhe den Bereich zwischen den Wagen eines Doppeltriebwagens von ca. 55 cm und den Langkupplungsbereich von ca. 120 cm sichern. Die Bügel des Langkupplungsbereichs wären so zu konstruieren, dass sie sich seitlich oder nach oben verschieben bzw. zur Gleismitte hin wegklappen ließen, um den Kupplungsvorgang nicht zu behindern. Das unbefugte Bewegen könnte durch ein Schloss verhindert werden. Selbst wenn der Kupplungsvorgang dadurch geringfügig länger dauern würde, scheint uns das zumutbar. Die Vermeidung von Gleisstürzen würde im Gegenzug die Betriebsqualität stabilisieren. Dessen ungeachtet sollte der MVG das Leben und die Gesundheit ihrer Fahrgäste über alles gehen. Die Politik ist gefordert Nach dem Sturz in den Kupplungsbereich im Dezember sprach die MVG laut Abendzeitung von einem bedauerlichen Unfall und verwies zur eigenen Rechtfertigung darauf, dass die Sicherheitssysteme funktioniert hätten und alle Vorschriften eingehalten würden. Um die Todesfalle Kupplungsbereich auszuschalten fehlt, konsequent weitergedacht, also nur eine Vorschrift in der Straßenbahnbau- und Betriebsordnung (BO Strab), die regelt, dass der Kupplungsbereich auch älterer Fahrzeuge mechanisch entsprechend zu sichern ist. Dann könnte nicht nur die MVG, sondern dann müssten auch alle anderen Verkehrsunternehmen in Deutschland endlich handeln. Es bleiben freilich Zweifel daran, ob die Politik in Anbetracht der relativ wenigen ?bedauerlichen Unfälle? den Widerstand der Unternehmen und deren Organisation brechen kann. So gesehen täten die Entscheidungsträger in den Unternehmen und in der Politik gut daran, sich die 10 Gebote der Barrierefreiheit der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) zu Herzen zu nehmen. Im 8. Gebot steht: Stelle die objektive und subjektive Sicherheit für ALLE her. Wesentlich sind vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen. In den Behindertengleichstellungsgesetzen des Bundes und des Freistaates heißt es: Barrierefrei sind ... Verkehrsmittel ... wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind. In der allgemein üblichen Weise nutzbar wären sie aus der Sicht blinder und sehbehinderter Menschen, wenn sie so sicher wie für nicht behinderte Fahrgäste wären, die die Gefahr rechtzeitig erkennen. In Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, Menschen mit Behinderung auch den gleichberechtigten Zugang zu Transportmitteln zu gewährleisten, was in der Folge deren sichere Nutzung einschließt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg Wir verlangen im Interesse aller Menschen, insbesondere aber jener, die in ihrer Mobilität oder ihrer Sensorik beeinträchtigt sind, einen wirksamen Schutz vor Unfällen im gesamten öffentlichen Verkehrsraum, insbesondere aber im Schienenverkehr. Es darf nicht länger hingenommen werden, dass der Schutz gehandicapter Menschen weniger wichtig ist. Wir erwarten mehr Sicherheit auf Bahnsteigen und einen wirksamen Schutz vor Gleisstürzen, insbesondere im Kupplungsbereich von Zügen, vorrangig durch Absperrungen. Wir erwarten die Schaffung gleichwertiger Bedingungen für die Teilhabe am öffentlichen Verkehr, die durch besondere Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses gehandicapter Menschen sichergestellt werden müssen. Wir erwarten jegliche Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu vermeiden, weil sie mit dem Geist einer inklusiven Gesellschaft nicht vereinbar ist. -- Austragen: <mailto:MobilInBayern-request@xxxxxxxxxxxxx?subject=Unsubscribe> Eintragen: <mailto:MobilInBayern-request@xxxxxxxxxxxxx?subject=Subscribe> Listenarchiv: <//freelists.org/archive/mobilinbayern> Homepage der Liste: <//freelists.org/webpage/mobilinbayern> Mail an die Moderatoren: <mailto:MobilInBayern-Moderators@xxxxxxxxxxxxx>