[bfe] Re: (No To: "bfe@xxxxxxxxxxxxx" <bfe@xxxxxxxxxxxxx>

  • From: Tilo Grätz <tilograetz@xxxxxxxx>
  • Date: Wed, 17 Sep 2014 12:27:36 +0100

...hier noch zwei links zur Situation an den Hochschulen:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.forscheralltag-die-aufgaben-junger-forscher.5577686b-66cc-4486-961a-518d0fcf928c.html

https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-gute-arbeit-in-der-wissenschaft

Viele Grüße
Tilo Grätz




________________________________
 Von: Andreas Schlothauer <schlothauer@xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx>
An: bfe@xxxxxxxxxxxxx 
Gesendet: 13:04 Mittwoch, 17.September 2014
Betreff: [bfe] Re: Kommentar zu meiner Mail von vorhin
 


Lieber Thorolf
ganz richtig was Du in Bezug auf den Zynismus schreibst. Ich habe 
(glücklicherweise) lange in der „normalen" Wirtschaft gearbeitet. Dort werden 
meist anständige Löhne gezahlt, fast immer gibt es Mindestlöhne und 
Arbeitnehmerrechte.
Der Kultur- und Kunstbereich ist durchseucht von einem Ausbeutungssystem, das 
mich immer wieder an Feudalismus erinnert. Wer eine der staatlichen Stellen 
ergattert hat (meist sind es nicht einmal die Besten), spielt Fürst oder 
Kaiser. umgeben vom gemeinen Volk (die keine Stelle haben) der „Freien“. Der 
Stelleninhaber macht kaum etwas anderes, als Arbeit und Budgets auf diese 
„Freien“ zu verteilen, bei Reduktion seiner eigenen Arbeit gegen Null. Die 
Ergebnisse der Arbeit vermehren natürlich den Ruhm des Stelleninhabers.
Fazit: ich habe selten faulere und kaputtere Arbeitsstrukturen wie im Bereich 
Kultur und Kunst kennen gelernt. Fürchterlich!
Da schimpfe keiner mehr auf die Wirtschaft, die ist Jahrhunderte voraus.
Und das HuFo? Ist doch schon seit Beginn klar, dass da nichts neues rauskommt. 
Kritik wird nicht wahrgenommen. Das Revival preussischer Selbstverliebtheit und 
Arroganz. Die geplante Fassade ist eindeutig genug.
Falls es dich interessiert.
http://andreasschlothauer.com/texte_hufo.html
besonders
http://andreasschlothauer.com/texte/kk5_humboldt_forum_4.pdf
Übrigens kann ich Dich/Euch nur noch mal bitten einen Artikel zum BfE und 
diesem Thema zu schreiben, veröffentlichen werde ich diesen in Kunst&Kontxt 
sehr gern.
herzlicher Gruß
Andreas Schlothauer


Am 17.09.2014 um 12:31 schrieb Thorolf Lipp <lipp@xxxxxxxxxxxxxxx>:

Liebe Jutta, liebe Kerstin,

Danke für's Feedback. Ich finde, dass wir in jedem Fall deutlich
      machen müssen, dass sich hier ein Bundesverband formiert hat und
      dass die üblichen Anfragen nach unbezahlter Rechercheleistung
      nicht mehr hingenommen werden. Daher der Verweis auf den bfe. Die
      Zeit-Kollegin hat parallel offenbar Kerstin angeschrieben.
      Deswegen müssen wir in solchen Fällen miteinander in Austausch
      stehen und wissen, wie wir damit umgehen. Das ist für mich einer
      der Gründe für die Mitgliedschaft im bfe und für die VIELE (!)
      Arbeit, die ich (und andere) hier investiert haben.  

Der Hinweis, ich sei Vorstandsmitglied war so gemeint, dass ich
      schlecht Wein predigen und Wasser trinken kann, als
      Vorstandsmitglied also nochmals mehr Verantwortung für die
      Umsetzung unserer Ziele trage. 

Ich widerspreche Dir, liebe Kerstin, was Dein Ruf nach
      (vermeintlicher) Sachlichkeit anbelangt. Das gesamte System ist
      zynisch bis ins Mark. Das hat in erster Linie mit einem Mangel an
      Mitteln zu tun, der sich jedoch nicht in Luft auflöst, nur weil
      man sachlich ist. Wenn Du heute einen sachlich begründeten
      Kostenvoranschlag für ein Kultur- und/ oder Filmprojekt
      einreichst, lachen Dich die Geldgeber aus mit der Begründung,
      dafür sei ohnehin kein Geld da und Du machst es entweder für die
      Hälfte oder gar nicht. So ist es eigentlich immer. Übrigens ist
      auch das hochgelobte Humboldt Forum da keine Ausnahme, im
      Gegenteil. Ich kenne alle diese Debatten leider nur zu gut aus
      meiner Vorstandstätigkeit in der AG DOK, da kann mir niemand
      glaubhaft das Gegenteil versichern. 

Nein, ich glaube, dass wir nur durch konsequentes Hinweisen auf
      den offensichtlichen Zynismus in diesem System bzw. durch Boykott
      zumindest Teilerfolge erzielen können. 

Die AG DOK hat zwei Jahrzehnte versucht, durch Gespräche
      Konsenslösungen zu erreichen. Seit einiger Zeit suchen wir immer
      öfter die gerichtliche Auseinandersetzung - und der Erfolg gibt
      uns Recht. Freiwillig geben gerade die großen Institutionen gar
      nichts her. 


Herzliche Grüße


Thorolf 

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Am 17.09.2014 00:59, schrieb Jutta Schmidt Machado:

Lieber Thorolf,

ich fand die Antwort sehr richtig und berechtigt! Die
      Bildkommentare müssen schon gut recherchiert werden, was auch
      seinen Preis hat.

Übrigens hatte die Emma 3/2014 einige Bilder von Jimmy Nelson aus
      dieser Reihe abgedruckt; mit sehr oberflächlichen Begleittexten.
      Ich bin leider nicht dazu gekommen, eine LeserInnen-Mail zu
      schreiben, obwohl ich diese "Suche nach dem edlen Wilden" und die
      "Glasglockenromantik" furchtbar finde. 

Ich persönlich würde sehr vorsichtig mit solchen Aufträgen umgehen
      (die Konditionen müssen klar sein), weil ich eher negative
      Erfahrungen mit der Presse gemacht habe. 

Beste Grüsse aus São Paulo,

Jutta





On 16-09-2014 19:11, Thorolf Lipp wrote:

Liebe Kolleg_innen,

ein kurzer Kommentar zu meiner Mail von vorhin: ich bin heute
        nachmittag von einer selbsternannten "Redakteurin" des
        Zeit-Wissen Magazins angerufen worden, die mich im Internet
        gefunden hat. Tatsächlich ist die junge Dame keine
        "Redakteurin", sondern studiert Journalistik und ist
        Praktikantin oder Volontärin. Auch das ist heute übrigens die
        Regel, gerade bei derartigen Kulturthemen, die man offenkundig
        nicht für wirklich wichtig hält. Kann jeder machen...

Ich würde gerne mal versuchen eine Diskussion darüber zu führen,
        wie wir mit solchen Anfragen umgehen. Ich bin mir relativ
        sicher, dass sich die ZEIT diese Art der Recherche nichts kosten
        lassen möchte. Und de facto passiert dann genau das, was ich
        geschrieben habe. Im Zweifelsfall erfindet halt irgendwer
        irgendwas. Passiert so oder so ähnlich dauernd. Kann keiner
        nachprüfen. 

Man kann nun der Ansicht sein, meine Formulierung sei polemisch
        gewesen. Tatsächlich mache ich fast jeden Tag die Erfahrung,
        dass mein Wissen im journalistischen Kontext nichts wert ist.
        (Dass die rosigen Zeiten im Journalismus längst auch für die
        Journalisten vorbei sind, steht jetzt mal auf einem anderen
        Blatt und ändert nichts an der Problematik...). 

Abgesehen davon, dass schon die Natur der Anfrage thematisch
        problematisch ist (der Photograph ist: http://www.jimmynelson.com/) 
finde ich es schon berechtigt, der Kollegin zumindest mal deutlich zu machen, 
dass sie einfach nicht per se von unbezahlter Beratung ausgehen kann, was sie 
de facto aber tut. Und genau das erlebe ich in der Medienbranche jeden Tag. Und 
deswegen habe ich da nicht mehr allzuviel gute Laune, denn für mich als 
Kulturproduzenten (und viele, viele meiner Kollegen) stellt diese Grundhaltung 
nicht mehr und nicht weniger als  eine existentielle Bedrohung dar.

Klar ist, dass sich GAR nichts ändern wird, wenn wir als
        Freiberufler nicht konsequent und systematisch solche Anfragen
        berechnen. 

Aber vielleicht seht Ihr das anders, ich bin gespannt auf
        Beiträge. 


Herzliche Grüße


Thorolf 


P.S.: Noch eine Anmerkung: wir haben letzte Woche
                herausgefunden, dass auf freelist.org Beiträge archiviert 
werden und prinzipiell im Netz einsehbar sind (wenn man ganz genau weiss, 
wonach man sucht). Ich selbst habe hier vermutlich die meisten Themen gepostet 
und kann mich NICHT finden. Es muss also jeder selbst wissen, ob er mit dieser 
Form der Halböffentlichkeit zurecht kommt oder nicht nicht bis wir ggf. eine 
andere Lösung gefunden haben. Mir fehlt dazu im Moment die Zeit, aber 
vielleicht fühlt sich ja sonst jemand hier berufen, nach einem anderen 
kostenlosen Postlisten-Provider Ausschau zu halten? Das wäre prima! 


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